Auf verlorenem Posten
hatte McKeon persönlich nur wenig zu befürchten, auch nicht von jemandem mit Klaus Hauptmanns Ruf, das Gedächtnis und die Rachsucht eines Elefanten zu besitzen. Er war Honors Erster Offizier. Er befolgte ihre Befehle – ihre Befehle. Wenn er sich bei einer Diskussion zwischen ihr und Hauptmann aber als Zeuge betätigte – insbesondere als Zeuge zu ihren Gunsten –, würde sich alles ändern. Dabei war er fünf Jahre älter als sie und stand einen vollen Dienstgrad unter ihr. Wenn er sich einen Mann wie Klaus Hauptmann zum Feind machte, durfte man über die Folgen für seine Karriere überhaupt nicht nachdenken.
Sie legte den Kopf schräg und musterte seinen angespannten Gesichtsausdruck. Fast konnte sie seine Furcht schmecken. Aus zwei Gründen war sie versucht, sein Angebot abzulehnen: Zum einen war es ihr Kampf und nicht seiner, und zum anderen konnte sie nicht von einer Sekunde auf die andere vergessen, wie er beständig vermieden hatte, sich auf ihre Seite zu stellen, seitdem sie an Bord gekommen war. Doch als sie ihm in die Augen sah, wußte sie, daß sie nicht ablehnen durfte. Aus welchen Gründen auch immer, er hatte seine Geste gemacht. Wenn sie das Angebot zurückwies, dann wies sie – so versteckt es auch gemacht wurde – sein Angebot zurück, zum ersten Mal seit ihrer Kommandoübernahme wirklich ihr Eins-O zu sein.
»Vielen Dank, Mr. McKeon«, sagte sie daher schließlich. »Ich freue mich über Ihr Angebot und nehme es dankend an.«
20.
Honor stand im Beiboothangar an der Mündung der Personenröhre und beobachtete auf dem Bildschirmdisplay am Schott, wie der Kutter am anderen Ende der Röhre andockte. Das kleine Raumfahrzeug bewegte sich im hellerleuchteten Vakuum des Hangars mit behutsamer Präzision und senkte seine fünfundneunzig Tonnen sauber in das wartende Andockgerüst. Die Treibvorrichtung bewegte den Röhrenpuffer nach vorn und versiegelte die Röhrenmanschette an die Luke. Das grüne Licht des Druckausgleichs leuchtete auf. Honor atmete unauffällig noch einmal durch, bevor die Luke der Röhre sich öffnete.
Klaus Hauptmann trat heraus wie ein Monarch auf Staatsbesuch. Er war kleiner, als Honor erwartet hatte, doch kräftig gebaut. Sie hatte immer vermutet, daß die ehrwürdig wirkenden grauen Schläfen künstlich wären.
Das breite Gesicht und das kräftige Kinn hatten mit Sicherheit von kosmetischer Chirurgie profitiert – niemand besaß derart gleichmäßige Gesichtszüge –, doch die zugrundeliegende Architektur war dabei erhalten geblieben. In diesem Gesicht lag Kraft, eine unnachgiebige, selbstsichere Dreistigkeit, die normale Arroganz und Kampflust weit hinter sich ließ. Die Augen waren hart.
»Commander Harrington.« Die tiefe Stimme klang weich und kultiviert und verbarg jede Feindseligkeit. Hauptmann reichte Honor die Hand.
Sie erwiderte den Händedruck und verbarg ein Grinsen, als sie spürte, wie seine Finger leicht über ihre Hand tasteten und nach der Stelle für den schmerzhaften Griff suchten. Sie hätte nie erwartet daß er sich als Knöchelbrecher entpuppen könnte. Für einen derart mächtigen Mann erschien das ein wenig kleinlich, doch vielleicht mußte er seine Dominanz auf jede erdenkliche Weise demonstrieren. Und vielleicht hat er auch vergessen, daß er es mit einer Sphinxianerin zu tun zu hat , dachte sie und ließ ihn ihr nach Herzenslust die Hand quetschen. Ihre langfingrige Hand war groß für die einer Frau, zu groß, als daß er sein Ziel erreichen konnte. Sie ließ ihn den maximal möglichen Druck ausüben und quetschte dann sanft zurück. Dabei lächelte sie freundlich und ließ sich nicht anmerken, daß sie sich der stillen Kraftprobe bewußt war. Aber sie sah seine Augenlider flackern, als er die unerwartete Eisenhärte ihres Händedrucks spürte.
»Willkommen an Bord der Fearless , Mr. Hauptmann«, sagte sie und lächelte nur ganz wenig breiter, als er die Kraftprobe aufgab und ihre Hand losließ. Sie nickte McKeon zu, der sich daraufhin neben sie stellte. »Mein Erster Offizier, Lieutenant Commander McKeon.«
»Commander McKeon.« Der Besucher nickte, doch er bot seine Hand kein zweites Mal an. Honor registrierte, wie er den Arm an die Seite preßte und die Finger spielen ließ. Sie hoffte, daß sie ihm wehtaten.
»Hätten Sie Interesse an einer Führung durch das Schiff, Sir?« fragte Honor freundlich. »Ein großer Teil ist Zivilisten nicht zugänglich, fürchte ich, doch ich bin sicher, daß Commander McKeon sich freuen würde,
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