Auf verlorenem Posten
waren. Das bedeutete, daß Hyperreisen sowohl indirekt als auch langwierig wurden, wenn auch die Überlebensrate drastisch stieg. Und je weiter sie stieg und je mehr Physiker hinausgingen, um die Gravwellen, von deren Existenz sie nun einmal wußten, mit immer ausgefeilteren Geräten zu erforschen desto mehr nahm die Datenmenge zu und desto ausgefeilter wurden die Theorien über die Schwerkraft.
Mehr als fünfhundert Jahre sollten vergehen, bis im Jahre 1246 RD. auf dem Planeten Beowulf der Impellerantrieb perfektioniert wurde. Dieser Antrieb nutzte im Grunde ›zahme‹ Gravwellen im Normalraum. Doch so nützlich der Impellerantrieb im Normalraum auch sein mochte, so außerordentlich gefährlich war er im Hyperraum.
Wenn ein impellergetriebenes Schiff auf eine der viel kräftigeren natürlichen Gravwellen traf, konnte diese das ganze Sternenschiff verdampfen, so wie Honor die Impelleremitter des havenitischen Kurierbootes mit dem stärkeren Impellerkeil der Fearless zerstört hatte.
Nach der Erfindung des Impellerantriebs vergingen über dreißig Jahre, bis Dr. Adrienne Warshawski von Alterde einen Weg fand, der diese Gefahr umging. Sie vollendete einen Gravitationsdetektor, der eine Gravwelle auf immerhin fünf Lichtsekunden Abstand aufspürte. Dieser Segen war unschätzbar und erlaubte die Benutzung des Impellerantriebs zwischen den Gravwellen mit wesentlich höherer Sicherheit. Noch zu Honors Zeiten wurden Gravdetektoren zu Ehren der Erfinderin einfach ›Warshawskis‹ genannt. Die Wissenschaftlerin indes hatte dort nicht haltgemacht. Im Laufe ihrer Forschungen war sie tiefer in das Phänomen der Gravwellen eingedrungen als jemals ein Mensch vor ihr. Sie hatte schließlich begriffen, daß eine Möglichkeit bestand, die Gravwellen selbst zu nutzen. Ein modifizierter Impellerantrieb, der nicht mehr über und unter dem Schiff je ein geneigtes Verzerrungsband projizierte, sondern zwei leichtgekrümmte Platten im rechten Winkel zur Mittschiffslinie, konnte mit diesen Platten wie mit riesigen, immateriellen ›Segeln‹ die gebündelte Strahlung einfangen, die durch eine Gravwelle raste. Und mehr noch, die Grenzfläche zwischen einem Warshawski-Segel und einer Gravwelle erzeugte unfaßbar hohe Energiemengen, die abgeleitet und zum Betrieb eines Sternenschiffs benutzt werden konnten. Sobald ein Schiff in einer Gravwelle Segel gesetzt hatte, konnte es tatsächlich die bordeigenen Energieerzeuger abschalten.
Und so wurde aus der Gravwelle, einst die Verheißung drohender Todesnot, das Geheimnis schnellerer, billigerer und sichererer Hyperreisen. Kapitäne, die diese Wellen vorher wie die Pest gemieden hatten, suchten nun nach ihnen und kreuzten nur dann auf Impellerantrieb zwischen ihnen, wenn es unbedingt erforderlich war. Das Netz vermessener Gravwellen wuchs geschwind.
Es gab noch immer genug Schwierigkeiten. Die schwerwiegendste entsprang dem Umstand, daß Gravwellen Schichten gebündelter Gravitation waren und Zonen umgekehrter Flußrichtung existierten. Darüber hinaus traten unvorhersehbar Perioden der ›Turbulenz‹ entlang der Grenzflächen zwischen entgegengesetzt gerichteten Strömungen auf, und auch dort, wo zwei Gravwellen aufeinander trafen. Diese Turbulenzen konnten ein Sternenschiff zerstören. Frustrierender war allerdings, daß niemand das volle Potential des Warshawski-Segels (oder des Impellerantriebs) ausnutzen konnte, weil kein Mensch die Beschleunigung überleben konnte, die theoretisch machbar war. Verbesserte Warshawskis nahmen der ersten Einschränkung den Stachel, weil sie eine höhere Detektionsreichweite besaßen und daher ein Schiff viel früher vor einer Turbulenz warnen konnten. Mit genügend Vorwarnzeit konnte ein Schiff normalerweise die Segel ›richtig stellen‹ und durch die Turbulenz segeln, indem es Dichte und ›Auffangfaktor‹ anglich. Konnte das Segel nicht rechtzeitig richtig gestellt werden, dann waren die Turbulenzen tödlich, und deshalb war das Abstimmproblem, das die Sirius vorgetäuscht hatte, auch so ernst. Ein Kommandant mußte auf der Hut sein, wenn die neuesten Detektoren eine Gravwelle auch bereits auf acht Lichtminuten Abstand und eine Turbulenz innerhalb einer Welle auf die Hälfte dieser Entfernung entdeckten. Das Problem der Beschleunigung hatte dagegen für mehr als ein Standardjahrhundert weiter bestanden, bis Dr. Shigematsu Randhakrishnan, nach Warshawski wahrscheinlich der größte aller Hyperphysiker, den Trägheitskompensator ersann. Randhakrishnan
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