Auf verlorenem Posten
Captain Harringtons Depesche wird alles erklären.«
Reynaud ergriff den Datenchip mit tauben Fingern. Venizelos’ Überraschung steigerte sich. Er begriff nicht die Verwirrung des ALD-Mannes. Schließlich benutzte Venizelos doch keine schwierigen Wörter.
»Lassen Sie uns eine Sache gleich klarstellen«, sagte Reynaud nach kurzem Schweigen. »Ihr Captain Harrington quartiert Sie und Ihre Leute tatsächlich hier in der Lotsenstation ein? Er hat vor, Sie hier zu lassen, damit Sie uns bei der Arbeit helfen?«
»Ja, Sir, das hat sie vor.« Der dunkle, gutaussehende Lieutenant betonte deutlich das Geschlecht des Pronomens, und Reynaud nickte zur Bestätigung, wirkte aber immer noch derart verblüfft, daß Venizelos sich zu der Frage gedrängt fühlte: »Warum sind Sie so überrascht, Sir?«
»Überrascht?« Reynaud schüttelte sich, dann lächelte er seltsam. »Nun, ich glaube, ›überrascht‹ ist das richtige Wort, Lieutenant. Lassen Sie es mich so formulieren: Ich bin seit zwanzig Monaten Cheflotse im Basilisk-System. Davor war ich fast zwo Jahre lang dienstältester Lotse, und in all dieser Zeit sind Sie der erste – wie nannten Sie es? Zoll- und Sicherungsoffizier? –, den jemand mir zuzuteilen für nötig befand. Tatsächlich könnten Sie der erste sein, den Control zuzuteilen irgendein Stützpunktkommandeur jemals für nötig befand.«
»Ich bin was ?« brachte Venizelos hervor, um dann zu erröten, als ihm bewußt wurde, wie sehr sein Tonfall der ersten Reaktion Reynauds glich. Die beiden starrten einander an, dann legte sich ein Grinsen über Reynauds Gesicht.
»Nun, wenn ich darüber nachdenke«, sagte er, »glaube ich mich erinnern zu können, daß in meinen ursprünglichen Befehlen in der Tat stand, die Navy sei für Inspektionen und die Sicherheit des Terminus verantwortlich. Natürlich ist das so lange her, daß ich mich kaum daran erinnern kann.« Er sah die Habitatsservicetechnikerin an, die neben ihm stand. »Jaynex würden Sie mir den Gefallen tun und dem Lieutenant und seinen Leuten Unterkünfte besorgen?
Außerdem müssen sie in die grundlegenden Notfallprozeduren eingewiesen werden. Ich muß mich durch die Stützpunktverordnungen kämpfen, um herauszufinden, was in aller Welt wir mit ihnen anfangen sollen.«
»Sicher, Mike.« Die Technikerin winkte Ensign Wolversham, Venizelos’ Stellvertreterin. Immer noch grinsend, wandte Reynaud sich erneut an den Lieutenant.
»Hätten Sie vielleicht Lust, mir in der Zwischenzeit bei der Datensuche Gesellschaft zu leisten?« Venizelos nickte, und Reynauds Grinsen wurde noch breiter. »Und vielleicht möchten Sie mir auch ein wenig von Ihrer Kommandantin erzählen. Aber gehen Sie es langsam an, bitte. Ich bin nicht mehr der jüngste, und ich weiß nicht, ob ich den Schock vertrage, mit einem kompetenten Offizier als Kommandeur des Basilisk-Vorpostens konfrontiert zu werden.«
Andreas Venizelos grinste zurück, und zum ersten Mal seit Wochen fühlte es sich normal an.
Lieutenant Commander Dominica Santos unterdrückte ein Fluchen, als Lieutenant Manning ihr die neueste Planung reichte.
Sie hatten die Fristen der Kommandantin für die ersten drei Drohnenabsetzungen eingehalten, doch die Alte hielt nun bereits auf die vierte zu. Santos sah verzweifelt aufs Schiffschronometer. Weniger als sechs Stunden, bis das neue Absetzen beginnen sollte, und sie hatten kaum sechzig Prozent der Drohnen umgebaut. Der Vorsprung schmolz immer weiter zusammen. Es gab fünf weitere Absetztermine einzuhalten; die Leute waren trunken vor Müdigkeit; und, am schlimmsten von allem, nun gingen ihnen auch noch die Bojenbausätze aus. Von jetzt an würden sie die verdammten Umrüstsätze erst herstellen müssen, bevor sie die Sensorenköpfe überhaupt einbauen konnten!
Santos grollte vor sich hin und hielt die Balance zwischen ihrer Wut und der Navytradition nur dadurch, daß sie zu leise fluchte, als daß jemand sie hören konnte. Wenn die Alte dem Maschinenraum zwei oder drei Tage Zeit gäbe, könnten sie einen Umrüstsatz entwerfen, den die Wartungs- und Reparaturservomechs im Industriemaßstab ausspucken konnten. Doch es war leider so, daß Entwurf und Fehlerbeseitigung der Servomechsteuersoftware länger dauern würde, als die verdammten Dinger von Hand zu bauen. Die Kommandantin mußte sie nicht so hart rannehmen. Es war nicht fair von ihr, die eigenen Probleme mit Young (worin diese auch immer bestanden) an der Besatzung auszulassen.
Santos hörte mit dem Fluchen
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