Auf verlorenem Posten
Summervale wußte, daß dies das nächste zu einer Entschuldigung war, das er bekommen würde. »Aber da es nun so ist, erwarten wir von Ihnen keine Wundertaten. Andererseits glaube ich auch nicht daß Wunder vonnöten sind. Erinnern Sie sich, daß wir in ihrer Organisation unsere Leute haben. Vielleicht nicht in Positionen, die weit genug oben sind, daß jemand Matsukos Büro oder Comleitungen abhören könnte, aber hoch genug, um rechtzeitig zu erfahren, falls die NPA etwas vorhat das Ihnen gefährlich werden könnte. Wir versuchen, in Harringtons Datenkanäle einzudringen und ein Auge auf ihre Aufklärungsberichte zu haben, doch selbst wenn das nicht gelingt, können wir Sie wenigstens sechs oder sieben Stunden vorwarnen, bevor jemand in Ihre Richtung aufbricht.«
Summervale nickte langsam. Seine Gedanken rasten, während er Alternativen erwog und verwarf. Sechs Stunden wären mehr als genug, um seine Leute fortzuschaffen, doch er bräuchte wenigstens einen Tag, um auch nur ein Zehntel der Ausrüstung abzutransportieren. Und darin waren nicht einmal die pedantischen Aufzeichnungen enthalten, auf denen sein Auftraggeber bestand. Er konnte es dem Mann nicht verdenken, daß er jedes einzelne Gramm Mekoha, das im Labor produziert wurde, verfolgen wollte. Nichts wäre besser geeignet, Estelle Matsukos Zorn zu erregen, als Fremdweltler, die ›Traumrauch‹ an die Stakser verkauften, und wenn einer seiner Leute einen kleinen Nebenerwerb als Händler aufzog, dann mußte dies die Gefahr der Entdeckung ins Astronomische steigern. Aber von allen Daten ausgedruckte Sicherheitskopien zu behalten, war einfach dumm. Der Zuwachs an Verwundbarkeit wog schwerer als die Vorteile, doch auch in dieser Sache war er überstimmt worden.
Er zuckte innerlich die Achseln. Das war das Problem seines Arbeitgebers. Er hatte jedenfalls darauf geachtet, daß sein Name in keiner Aufzeichnung auftauchte.
»Was mache ich mit der Ausrüstung?« fragte er nach kurzem Schweigen.
»Wenn Sie die Zeit haben, nehmen Sie sie mit. Wenn nicht …« Der Anrufer zuckte die Schultern. »Es ist nur Material. Es ist ersetzbar.«
»Verstanden.« Summervale trommelte kurz mit dem Finger auf der Kante der Konsole, dann zuckte auch er die Schultern, diesmal körperlich. »Noch etwas?«
»Im Moment nicht. Ich melde mich bei der nächsten Katastrophe wieder.«
»Verstanden«, wiederholte Surnmervale und trennte die Verbindung.
Mehrere Minuten lang saß er schweigend vor dem Bildschirm und dachte nach. Dann erhob er sich und schritt in dem kleinen Raum auf und ab. In dieser Unternehmung hatte es einige Dinge gegeben, die für seine Begriffe niemals ein zufriedenstellendes Bild ergeben hatten, und der offenkundige Mangel an Besorgnis über den möglichen Verlust des kompletten Labors gab ihm ein weiteres Rätsel auf. Natürlich war die Einrichtung nicht besonders teuer – es war weder schwierig noch kompliziert, Mekoha zu isolieren –, aber es war nicht leicht gewesen, die Gerätschaften ohne Entdeckung her zu schmuggeln. Wenn sie das Labor verloren, dann verloren sie auch die Produktionsbasis, bis eine neue aufgebaut war, und der Aufbau eines neuen Labors gab sie erneut der Entdeckungsgefahr preis.
Wirklich? Er blieb stehen. In seinem Gesicht krümmte sich eine Augenbraue, als er den Spekulationen freien Lauf ließ. Was, wenn sie bereits eine Ersatzanlage besaßen? Besonders im Lichte einiger anderer unbeantworteter Fragen erschien das durchaus möglich. Zum Beispiel, warum die Organisation sich überhaupt all diese Mühe machte, nur um Drogen, und besonders so etwas wie Mekoha, an einen Haufen primitiver Abos zu verkaufen. Er konnte einfach nicht glauben, daß Medusa versteckte, unbekannte, unbezahlbare Schätze besaß, die die Stakser gegen den Stoff eintauschten, und alle medusianischen Tauschgüter, die er kannte oder sich ausmalen konnte, wären mit weitaus geringeren Investitionen und Risiken gegen legale Waren einzutauschen gewesen. Selbstverständlich war er nicht eingeweiht, wie die Verteilung der Droge ablief. Er und seine Leute tauschten bei den benachbarten Häuptlingen und Schamanen ein wenig Mekoha aus der Produktion gegen Informationen aus deren Netzwerk von Scouts und Wächtern ein, doch der allergrößte Teil wurde fortgeschafft und woanders verwendet. Und wenn sie schon Drogen verkaufen mußten, warum ausgerechnet Mekoha? Es gab noch ein halbes Dutzend anderer Stakserdrogen und -rauschmittel, die die Organisation hätte benutzen können.
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