Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
ließ sich indes nichts so leicht täuschen. Er sah von Nick zu Isabel, dann wieder zu Nick und hob eine dunkle Braue. Ebenso Nick, der es sich verbat, dass sein Freund auch nur eine anzügliche Bemerkung machte.
Nach kurzem, vielsagendem Schweigen meinte Rock: „Solche Schätze habe ich bislang nur in Griechenland gesehen.“ In wenigen Worten beschrieb er die Skulpturen, die sich nebenan befanden. Nick hörte mit halbem Ohr zu und sah mit einem Auge, wie Lara hinüber zu ihrer Cousine ging. Isabel hatte ein allzu strahlendes Lächeln aufgesetzt, das alles verriet.
Sie hatte ihn auch gewollt.
Er schüttelte den Gedanken ab. Statt der verpassten Gelegenheit nachzutrauern, sollte er dankbar sein, dass sie gestört worden waren, ehe er eine riesengroße Dummheit hatte begehen können. Dieses Mädchen war alles, worauf er bei einer Frau gut verzichten konnte. Sie war unschuldig, ganz allein auf der Welt und genau die Sorte Frau, die mehr von ihm verlangen würde, als er zu geben bereit war. Wahrscheinlich war sie noch nie richtig geküsst worden – was ihn nicht wundern würde, hier draußen in der Wildnis, wo man sich wohl allenfalls mit den Stallburschen vergnügen konnte.
Wenn er ehrlich war, würde es ihm sehr gefallen, Lady Isabel zu zeigen, wie beglückend ein guter Kuss sein konnte.
„Du schuldest mir zehn Pfund.“
Rocks Worte rissen ihn aus seinen Gedanken.
Stimmt. Die Sammlung gab es wirklich. Und ihre Besitzerin war ihm nach wie vor ein Rätsel.
Sie würden bleiben.
Ohne auf das süffisante Grinsen seines Freundes zu achten, sah Nick zu Isabel hinüber, die ihn gespannt beobachtete. Als sie seinem Blick begegnete, errötete sie und strich sich nervös übers Haar.
„Lady Isabel“, sagte er und ließ sich ihren Namen auf der Zunge zergehen. „Wenn es Ihnen recht wäre, würden wir morgen früh mit der Arbeit beginnen.“
Sie wirkte unschlüssig, schien sich indes bewusst, dass sie zu weit gegangen und es nun zu spät war, ihn fortzuschicken.
Wieder strich sie sich übers Haar – eine Geste, die er als Ausdruck ihres inneren Aufruhrs deutete. „Gewiss. Morgen wäre … wunderbar .“ Damit eilte sie an ihm vorbei zur Tür. „Lara wird Sie hinausbringen. Ich … Ich muss …“ Nick wartete mit einem feinen Lächeln auf den Lippen, wie sie sich aus der Affäre ziehen würde. „Ich muss jetzt gehen!“
Und fort war sie. Er erhaschte gerade noch einen Blick auf ihre wirbelnden grauen Röcke, als sie hinaus auf den Flur flüchtete.
6. KAPITEL
Zweite Lektion
Sorgen Sie dafür, dass Sie Ihrem Lord im Sinn bleiben. Und, dass er Ihren Anblick nicht vergisst.
Durch Trennung mögen Gefühle sich vertiefen, doch nur Nähe schafft eine gute Beziehung. Vergessen Sie nie, dass Ihr Lord sich seines Verlangens nach einer Ehefrau nur dann bewusst werden kann, wenn sie ihm als solche vor Augen geführt wird! Geben Sie Ihr Möglichstes: Flanieren Sie auf Bällen an ihm vorbei, promenieren Sie zur gleichen Zeit wie er im Park, ermutigen Sie Ihre Dienstboten, sich mit den seinen zu befreunden. Seinen Tagesablauf zu kennen, ist der beste Weg, sich einen wahren Gentleman zu angeln.
Perlen und Pelissen
Juni 1823
G eneral Wellington mochte der Ansicht gewesen sein, dass Rückzug das schwerste Manöver sei, aber Isabel fand es eindeutig leichter zu flüchten, als bei den Skulpturen – bei Lord Nicholas St. John – zu bleiben.
Tatsächlich war sie soeben mit einer Hast entkommen, die nur gerade noch damenhaft zu nennen war.
Zumal besagte Dame noch Trauer trug.
Sie hatte sich von ihm küssen lassen wollen!
Und wie!
Doch das wäre ein Fehler ungeahnten Ausmaßes gewesen.
Dem Himmel sei Dank für Lara und Mr Durukhan! Wer weiß, was sonst geschehen wäre.
Ja, was?
Wohl wissend, dass sie sich wie ein Feigling benahm, eilte Isabel durch das Labyrinth der Dienstbotengänge, die zur Küche von Townsend Park führten.
War ihr eine andere Wahl geblieben? Sie hatte fort gemusst – um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, um … sich zu besinnen.
Was hatte sie sich nur dabei gedacht?
Einen Fremden nach Minerva House einzuladen war eine Sache, wenngleich eine sehr unkluge und riskante. Doch sich zu gestatten, in ihm mehr zu sehen als ein Mittel zum Zweck, das war schlicht inakzeptabel.
Sie brauchte Lord Nicholas, um ihre Skulpturen zu schätzen und den Verkauf in die Wege zu leiten. Damit war die Sache erledigt.
Wenn ihre Erfahrungen mit Männern – und mit Frauen, die von Männern verletzt worden
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