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Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen

Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen

Titel: Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Maclean
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Ihres Standes lernen in aller Regel nicht, ein Dach zu decken.“
    „Stimmt“, erwiderte sie lächelnd. „Aber ich tue vieles, was die meisten Damen meines Standes nicht tun.“
    Sie spürte seinen Blick auf sich und hoffte, dass Bewunderung darin lag. „Das kann ich mir vorstellen. Zumindest dürfte es keine geben, die so furchtlos wäre wie Sie.“
    Nicht Furchtlosigkeit treibt mich, sondern schiere Verzweiflung, dachte sie, den Blick in die Ferne gerichtet. „Wer den Lotterlord zum Vater hatte, muss sich zu helfen wissen. Sie können den Göttern danken, dass er keine weiteren Töchter hatte.“
    „Sie wussten demnach über das Treiben Ihres Vaters Bescheid.“
    „Nicht in allen Einzelheiten, aber selbst weitab in Yorkshire kommt einem Kind so manches zu Ohren.“
    „Es tut mir leid.“
    „Das braucht es nicht. Er hat uns vor über zehn Jahren verlassen. Ich habe ihn seither nicht mehr gesehen, und James kann sich überhaupt nicht an ihn erinnern.“
    „Umso schlimmer. Ich weiß, wie furchtbar es ist, einen Elternteil zu verlieren – doch nicht an den Tod.“
    Nun musste sie ihn doch ansehen und begegnete seinem Blick, der ihr verriet, dass er die Wahrheit sagte. Kurz, ganz kurz nur, verspürte sie leise Neugier auf seine Geschichte. „Meinen Vater zu verlieren, war kein großer Verlust. Ohne ihn waren wir besser dran.“ Noch immer war sein Blick auf sie gerichtet – so wissend, dass ihr unbehaglich wurde und sie hinauf zu den dunkel aufziehenden Wolken sah. „Ein paar Shilling hin und wieder wären nicht schlecht gewesen.“
    „Er hat Ihnen nichts hinterlassen?“
    Bei der Frage versteifte sie sich. Es machte ihr nichts aus, ihre finanzielle Notlage einzugestehen, doch darüber reden wollte sie nicht. Sie wollte kein Mitleid. Er hingegen schien zu jenen Männern zu gehören, die nicht so leicht locker ließen, die helfen wollten.
    Das durfte sie nicht zulassen.
    Sie strich über einen gewölbten Ziegel, spürte ihre Schultern schmerzen. Die Last, die eben kurz von ihr genommen schien, war wieder da. Einen Augenblick hatte sie ihre Sorgen teilen können. Alles war leichter gewesen, und es hatte sich gut und richtig angefühlt.
    Aber diese Last konnte sie nicht teilen. Es war ihre Bürde, die sie allein tragen musste. So war es von dem Tag an gewesen, da ihr Vater sich davongemacht und sie die Verantwortung für das Anwesen und seine Bewohner übernommen hatte. Sie hatte ihr Möglichstes getan, ohne dass jemand ihr geholfen hätte – und sie hatte wiederholt um Hilfe gebeten. Doch nun hatte sie ihre Lektion gelernt: Ein heruntergekommenes Anwesen und ein Haus voll Ausgestoßener waren nicht unbedingt das, wofür Gentlemen sich verwenden wollten.
    Erst recht nicht vermögende, begehrte Londoner Lords, die es auf der Durchreise nach Yorkshire verschlagen hatte.
    „Die Sammlung ist ein Vermögen wert, Lady Isabel.“
    Erst begriff sie nicht, was er da sagte, so weit waren die Worte von ihren Gedanken entfernt. „Wirklich?“
    „Wirklich.“
    „Genug um …“ Sie verstummte. Der Satz ließe sich auf so viele Arten vollenden. Zu viele. Genug, um ein Haus zu kaufen? Für die Mädchen zu sorgen? James zur Schule zu schicken? Den Namen Townsend wieder reinzuwaschen?
    Nichts davon konnte sie laut sagen, ohne sich zu verraten. Und so schwieg sie.
    „Genug, um das Dach zu reparieren und einiges mehr.“
    Schier überwältigt vor Erleichterung, atmete sie auf.
    „Gott sei Dank.“
    Ihre leisen Worte verloren sich in lautem Donnergrollen, bei dem sie vor Schreck zusammenfuhr und näher an ihn rückte, hier oben, auf den ungeschützten Höhen von Townsend Park. Als sie seine Hitze spürte, sah sie zu ihm hoch. Sie fand seinen Blick auf sich gerichtet und sah eine betörende Mischung aus Neugier, Gefahr und prüfendem Interesse. Letzteres ließ ihr Herz höher schlagen, gerade so, als könne er tief in sie hineinschauen und alles sehen, was sie vor ihm verbarg.
    Vielleicht wäre das ja gar nicht so schlimm .
    Sie wusste, dass es ein Zeichen von Schwäche war, doch sie konnte den Blick nicht von ihm wenden. Seine Augen waren so blau, so voller Verständnis, so verführerisch … Fast hätte es genügt, sie alle Vernunft fahren zu lassen.
    Doch blieb ihr keine Gelegenheit, der Verlockung nachzugeben.
    Höhere Gewalten hatten ein Einsehen, und die Himmel taten sich auf.

7. KAPITEL
    I n Yorkshire regnete es häufig und heftig, auch im Sommer. Eine wahre Sintflut ging hernieder, als solle die ganze

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