Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
können.
Er stieß einen herzhaften Fluch aus, der sogleich vom Wind davongetragen wurde. Nicht so sein Verdruss. Selbst wenn es hier nur Frauen gab, war das keine Entschuldigung dafür, so fahrlässig und leichtfertig zu sein. Man sollte Isabel auf ihr Zimmer sperren, bis sie wieder bei Sinnen war. Bis er wieder bei Sinnen war.
Über ihm grollte der Donner und ließ ihn zurück zur Luke eilen, wo sie bereits nach ihm Ausschau hielt. Der Regen rann ihr in Strömen übers Gesicht. Er drückte ihr den Eimer in die Hand.
Sie nahm ihn und trat beiseite, damit er durch die Luke steigen konnte.
Er brauchte eine Weile, das Fenster zu schließen, so heftig schlugen Wind und Regen dagegen. Als es schließlich geschafft war, war er bis auf die Knochen durchnässt und recht miserabel gestimmt.
Sie stellte den Eimer ab und sagte leise, doch hörbar aufgebracht: „Ich hätte sehr gut allein …“
Ungestüm fuhr er sich mit beiden Händen durchs nasse Haar, was sie zum Schweigen brachte. Ein Glück. Noch ein Wort, und er hätte für nichts garantieren können.
Noch nie hatte ein Weibsbild ihn so wütend gemacht. Sie war eine Gefahr für sich selbst und für andere. Herrje, es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte sie beide in den Tod gerissen.
Schon wieder.
Jetzt reichte es ihm.
„Sie werden nicht noch einmal auf dieses Dach gehen.“ Er sprach ruhig und leise, doch sein Ton hätte kaltblütigen Mördern das Blut in den Adern gerinnen lassen.
Isabel hingegen schien er nur noch mehr zu echauffieren. „Wie bitte?“
„Offensichtlich hat die Verantwortung für dieses Anwesen Sie keine Vernunft gelehrt. Von jetzt an machen Sie keinen Schritt mehr aufs Dach.“
„Also, das ist wirklich das anmaßendste, arroganteste, herablassendste …“
„Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich nenne es Sorge um Ihr Wohlergehen – und das Ihrer Mitmenschen“, er hielt kurz inne, um sich zu zügeln. „Ist Ihnen überhaupt der Gedanke gekommen, dass Sie mich mit sich in den Abgrund hätten reißen können?“
„Ich habe Sie nicht gebeten, mich zu retten, Lord Nicholas“, erwiderte sie mit erhobener Stimme.
„Nun, wenn man bedenkt, dass ich Sie gerade mal einen Tag kenne und Ihnen schon zweimal das Leben gerettet habe, würde ich vorschlagen, dass Sie mich das nächste Mal darum bitten.“
Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und schien sich nun keinen Deut mehr darum zu scheren, ob man sie unten hörte. „Ehe Sie hier aufgetaucht sind, war ich da draußen völlig sicher! Ist Ihnen überhaupt schon der Gedanke gekommen, dass ich nur deshalb auf dem Dach war, um mich vor Ihnen zu verstecken?“
Es war heraus, ehe sie die Worte zurückhalten konnte, und schien sie damit beide zu verblüffen.
„Vor mir verstecken ?“
Darauf gab es nichts zu erwidern. Schnaubend wandte sie sich ab.
„Sie haben mich hierher eingeladen !“
„Was ich mittlerweile bedauere“, murmelte sie.
„Warum haben Sie sich vor mir versteckt?“
„Das dürfte doch wohl klar sein.“ Als er nichts erwiderte, fuhr sie rasch fort, um kein Schweigen entstehen zu lassen. „Ich hatte nicht erwartet … dieser Moment … im Skulpturensaal …“
Er verfolgte ihre fahrigen Bewegungen. Erst strich sie sich mit den Händen über ihre Breeches, dann verschränkte sie die Arme im Rücken. Er sah, wie ihr Hemd sich über ihren Brüsten spannte, sah die dunklen Spitzen hindurchschimmern. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, wo sie sich befanden: Auf dem Speicher ihres Hauses, wo der prasselnde Regen jeden Laut schluckte. Ein trauter, in Zwielicht getauchter Raum, in dem sich die Hitze des Tages staute. Der perfekte Ort für ein geheimes Stelldichein.
Sie hob den Blick zur Decke. Ein Regentropfen rann ihr den Hals hinab. Nick sah ihn langsam im Hemd verschwinden.
Er begann allen Ernstes auf einen Wassertropfen eifersüchtig zu werden. Yorkshire wirkte sich sehr unvorteilhaft auf seinen Verstand aus.
„Ich hatte nicht erwartet, so …“, setzte sie erneut an und erwiderte seinen Blick, ehe sie wieder verstummte.
Er machte einen Schritt auf sie zu. „So …?“ Er wusste, dass er sie nicht drängen sollte, doch er konnte nicht anders.
Sie seufzte resigniert. „Mich so … zu Ihnen hingezogen zu fühlen.“
Noch ein Schritt. „Sie fühlen sich zu mir hingezogen?“
Er kannte keine Dame, die ihm derlei offen gestanden hätte. Ihr Bekenntnis überwältigte ihn schier.
Verlegen wich sie zurück, und er sah sie heftig erröten. Die Worte
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