Aufbruch der Barbaren
daß die Beine aus dem Eis kamen. Und er sah aufatmend, daß es ein Mann war. Eine fingerdicke, fast durchsichtige Eisschicht umgab ihn völlig, und sie mußte ihn mitten in der Bewegung umschlossen haben. Der Mann war offenbar im Eis eingebrochen, denn er hatte die Arme hochgeworfen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Der Kleidung und den Waffen nach, die gut zu erkennen waren, war dies ein ugalienischer Krieger.
Erleichtert wandte er sich zu Urgat und Juccru um, die, gefolgt von den Kriegern, vorsichtig näherkamen, und winkte ihnen beruhigend zu.
»Keine Gefahr. Sie sind Krieger aus dem Westen, die den Strom des Lebens zu überqueren suchten und wohl dabei einbrachen und festfroren.«
»Dann sollten wir vorsichtiger sein«, meinte der Schamane, »dieses Schicksal mag auch uns ereilen. Allerdings…« Er verstummte und berührte eine der Gestalten.
»Allerdings was?« fragte, Urgat alarmiert.
»Ich habe noch nie einen Erfrorenen gesehen, der solcherart…« Er verstummte erneut.
»Du hast recht«, stimmte Nottr zu. »Dieses Eis auf ihren Körpern ist nicht natürlich entstanden. Sie könnten nicht mitten in der Bewegung erfrieren. Dieser Panzer muß durch einen Zauber entstanden sein.«
Er schritt vorsichtig zu den anderen. Acht waren ugalienische Krieger, einer wohl ein Edelmann, der kostbaren Ausstattung seiner Waffen nach zu schließen, und vermutlich der Anführer.
Die fünf anderen waren…
»Caer!« rief Nottr. »Das sind Caer!«
Drei von ihnen waren in tieferem Wasser eingebrochen, einer bis zur Brust, einer bis zum Gürtel, von einem sah nur der Kopf aus dem Eis. Zwei weitere entdeckten sie fast vergraben unter Schneewächten.
»Caer?« fragte einer der Krieger ungläubig. »Irrst du dich nicht, Hordenführer? Es ist undenkbar, daß sie bereits so tief in die Wildländer vorgedrungen…«
»Ich hatte genug Caer vor der Klinge, um sie zu kennen.« Er betrachtete die bärtigen Gesichter, denen selbst die Eisschicht nichts von ihrer grimmigen Wildheit nahm.
»Ob es einen Kampf gegeben hat?« murmelte Urgat.
»Es sieht nicht danach aus«, entgegnete der Schamane. »Aber es wäre wohl dazu gekommen, wenn…«
»Wovor flohen die Ugaliener? Sie müssen einen weiten Weg hinter sich haben.«
»Diese Caer sind bestimmt nicht allein gekommen«, sagte Nottr nachdenklich. »Wenn ein Priester bei ihnen war, könnte das sein Werk sein. Die Dämonen, denen sie verschworen sind, schätzen auch das Leben der eigenen Leute nicht sehr hoch.«
Juccru sagte: »Ich glaube, wir sind in Gefahr. Ich… fühlte, daß die Kräfte noch nicht erloschen sind. Wir sollten diesen Ort verlassen…«
Die lorvanischen Krieger hatten noch keine eigenen Erfahrungen mit der Finsternis gemacht. Sie wußten aus vagen Berichten davon. Daher beeindruckten sie Nottrs Mutmaßungen nicht mehr als Geschichten von ihren eigenen Dämonen der Wildländer. Sie waren abergäubisch und voller Furcht vor übernatürlichen Gewalten, doch sie waren Krieger, keine Feiglinge, die ihre Anführer im Stich ließen. Allerdings erschreckte sie Juccrus Warnung zutiefst.
»Wie sollen wir den Strom des Lebens überqueren, wenn wir die Furt nicht betreten können?« fragte Urgat.
»Der Caer-Priester ist nicht unter ihnen«, stellte Nottr fest. »Obwohl es nicht ungewöhnlich ist, daß ein Dämon selbst seinen Priester opfert.«
»Er wird umgekehrt sein… zurück nach Westen«, meinte Urgat.
»Kannst du erkennen, wie alt dieser Zauber ist?« fragte Nottr den Schamanen.
Der schüttelte verneinend den Kopf. »Aber es muß ein schrecklicher Zauber gewesen sein, denn ich spüre noch immer Furcht über dem Strom. Das Eis, der Schnee, die Bäume dort… sie haben Dinge gesehen, die sie nicht vergessen können… es sind tiefe Spuren über diesem Ort. Laß uns fortgehen, Hordenführer.«
Die Krieger starrten unsicher auf Nottr und Urgat. Sie hätten am liebsten die Beine in die Hand genommen.
Nottr nickte schließlich zustimmend. »Schlagt die Trommel! Laßt die Horde anhalten und lagern. Wir ziehen nicht vor morgen weiter. Ruft die Häuptlinge zusammen! Kein Wort darüber, was wir hier gefunden haben. Ich werde selbst mit dem Rat reden.«
Wie ein Mann wandten sich die Krieger um, um dem Befehl zu folgen.
»Zwei genügen!« befahl Nottr scharf. »Ihr anderen nehmt die Äxte und hackt mir den ugalienischen Edelmann hier aus dem Eis. Wir wollen sehen, ob Feuer seinen Panzer schmilzt und ob Calutt ein Wort mit ihm reden kann. Er behauptet doch, mit
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