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Aufbruch - Roman

Aufbruch - Roman

Titel: Aufbruch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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dank Dr. Oheim, nicht gemusst. »Eine Cocktail-Party soll ja keine Abfütterung sein, sondern ein durch kleine, aber feine leibliche Genüsse gewürztes flüchtiges geselliges Beisammensein … möglichst appetitlich auf Platten angerichtet … vom Personal herumgereicht … Leckereien, sehr oft auf kleine Holzstäbchen gespießt, die sich zwischen einem Schluck aus dem Cocktail-Glas und ein paar Plauderworten schnell in den Mund schieben und sich zu einem neuen Schluck anregen lassen.« »Canapés« hießen diese Appetithappen. So hatte ich es gelesen, und so prüfte ich die Bestände auf der Cocktail-Party Godehards van Keuken.
    Ich beobachtete jede Bewegung. Wenn die anderen Hunger hatten wie ich, so taten sie doch wie ich, als hätten sie keinen. Man nahm den Bissen mit spitzen Fingern, nie mehr als einen, dazu eine Papierserviette, die man als eine Art freischwebendes Schlabberlätzchen auf dem Weg in den Mund unter den Happen hielt, wobei die Männer nicht selten den Kopf in den Nacken warfen und ein wenig in die Knie gingen. Vom nächsten Teller konnte man dann wieder nehmen, und wenn der erste Teller zurückkam, durfte man auch hier noch mal ran, aber meist waren dann Metthäppchen, Aal- oder Krabbenhäppchen schon weg, nur noch Ei und Käse. Sogar der Überfluss, dachte ich, hat seine Verlierer.
    Die Unterhaltung kam wieder in Gang; ein Junge mit Stoppelschnitt und einem Oberkörper, der das Jackett zu sprengen drohte, erklärte, warum der 1. FC Köln auch in diesem Jahr Deutscher Meister werde. Eine andere Gruppe diskutierte den Verlauf der Ostermärsche. Der Wortführer, wie die anderen im Anzug, aber die Hose zu kurz, das Jackett zu weit, trug am Rockaufschlag eine bronzefarbene, rechteckige Plakette. »Das Friedenszeichen«,
sagte der junge Mann, Stolz und Trotz in seiner Stimme, die ihre rheinische Herkunft nicht verleugnete. »Ein ganz schöner Haufen waren wir dieses Jahr. Um die zwanzigtausend. Wenn man bedenkt, dass wir beim ersten Mal mit knapp tausend von Hamburg aus zu den Amis marschiert sind.«
    »Ja«, pflichtete ihm ein Mädchen bei, die gleichen störrischen Locken wie der Sprecher, sicher seine Schwester, »da haben sie uns noch nicht mal was zu essen gegeben, hatten Eintopf bestellt für hundertfünfzig Mann, und als wir ankamen, hing das Schild ›Geschlossen‹ an der Tür. Man hatte offiziell vor uns gewarnt. Muss man sich mal vorstellen. Wie vor Verbrechern.« Das Mädchen tippte sich auf die Brust, auf die Friedensbrosche. Frohgemut und unerbittlich, mit blitzenden Augen hinter blitzenden Brillengläsern, sagte sie ihrem Publikum eine tödliche Zukunft voraus, es sei denn, alle, aber auch wirklich alle, schlössen sich im nächsten Jahr ihrer Kampagne an.
    Godehard nahm seinen Vetter beiseite. »Kennst du die? Und den Jungen? Wie kommen die hierher?«
    »Keine Sorge«, beruhigte ihn Markus, »den kenn ich. Hab mit ihm in Köln das Studium angefangen. Aus kleinen Verhältnissen, aber Studienstiftung. Der Vater macht bei uns den Garten. Ich dachte, einer mehr oder weniger auf einem so großen Fest …«
    »Ja, aber, was erzählt der denn da?« Godehard war noch immer beunruhigt. »Mit Politik will ich nichts zu tun haben. Damit hatten wir in der Familie schon genug Ärger. Weißt du ja.«
    »Vor der Friedensbewegung musst du nun wirklich keine Angst haben.« Markus klopfte ihm beschwichtigend auf die Schulter. »Ich kenn die aus London. Hat ja da angefangen. Campaign for Nuclear Disarmament; Bertrand Russell, Albert Schweitzer und so. Und vor ein paar Jahren hat es hier in Deutschland doch das Göttinger Manifest gegeben, gegen Atomwaffen für die Bundeswehr. Haben Männer wie Otto Hahn, Heisenberg und Weizsäcker unterschrieben.«
    Wir traten näher zu dem Geschwisterpaar, das jetzt fast alle Gäste um sich geschart hatte. Keine Parteien, keine Vereine,
auch nicht die Gewerkschaften, erklärte das Mädchen gerade. Seit die SPD die Bewegung »Kampf dem Atomtod« verlassen habe und mit der Bundesregierung für die Aufrüstung stimme, habe man sich ja auch umgenannt in »Kampagne für Abrüstung«. Nur der Einzelne sei gefragt. Und keine Diskussionen. Propaganda erst recht nicht. Sie habe selbst erlebt, wie einer, der Werbung für die sogenannte DDR gemacht habe, nach Hause geschickt worden sei.
    Nach Hause geschickt worden seien in diesem Jahr auch die Engländer und Dänen, die hätten mitmarschieren wollen. Regierungsbeschluss. Aber in einem, das Mädchen sah sich Zustimmung heischend

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