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Aufbruch - Roman

Aufbruch - Roman

Titel: Aufbruch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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kleine Hilla, wir haben doch noch so viel Zeit. Wie schön du bist.«
    Ohne den Dom eines Blickes zu würdigen, lenkte Godehard den Wagen aus der Innenstadt hinaus, am Rhein entlang, ich verdrehte den Hals nach den Türmen, bis auch die Spitzen verschwanden. In Köln und nicht zuerst im Dom. Das gab mir einen Stich.
    »Immer noch gut katholisch?«, fragte Godehard leichthin, und da ich mit der Antwort zögerte, fuhr er fort: »Geht dir vielleicht so wie mir: nicht ganz dabei und nicht ganz davon weg. Heute Abend ist ein Cousin von mir da. Lukas will Pastor werden. Hat schon die Diakonweihe. Mit dem kannst du dich ja mal unterhalten.« Godehard schien aufgeregt, redete in einem fort, von denen, die kommen, und denen, die nicht kommen würden. Ich hörte kaum zu. Hatte mir angewöhnt, gelegentlich ein Hm, Soso, Achnein einzuwerfen und meinen Gedanken nachzuhängen.
    Alle Aufregung verflogen, nun, da ich wusste, nicht Godehards Eltern waren es, die mich erwarteten. Offensichtlich handelte es
sich um eine Cocktail-Party, wo, gemäß Dr. Oheim, »vor allem junge Menschen, in besonders zwangloser Form etwa zwischen achtzehn und zwanzig Uhr zusammenkommen …«. Denn »eine gut vorbereitete Cocktail-Party ist etwas sehr Nettes, Spritziges - allerdings nicht ganz Billiges«. Ein nettes, spritziges Stündchen würde ich bleiben und dann ab nach Hause. Montag gab es eine Mathearbeit.
    Die Stadt ließen wir hinter uns, auf der Landstraße ging es Richtung Sauerland, in einem Waldstück fuhr Godehard langsamer und bog kurz darauf ab. Mitten zwischen die Bäume. Bremste. Hielt an. Ich presste die Knie zusammen. Eine Schranke versperrte die Weiterfahrt. Godehard stieg aus, schloss auf, klappte den Balken hoch, wir fuhren durch, schloss wieder ab.
    »Hör mal«, fragte ich irritiert, »wie kommen denn die anderen hier durch?«
    »Die anderen? Ach, die müssen einen Umweg machen, kommen von der anderen Seite. Die kennen das.« Godehard lachte. »Ich bring dich schon nicht in Blaubarts Burg.«
    Trotzdem: Wie sollte ich von hier wieder wegkommen? Pünktlich zu meinem letzten Zug?
    »Keine Sorge«, beruhigte er mich. »Irgendjemand wird dich sicher nach Hause fahren - wenn du nicht bleiben willst. Bei mir.«
    Ich schaute auf die Uhr. Minutenlang nichts als Bäume und kein Haus in Sicht.
    »Gehört alles dazu«, sagte Godehard mit einer ausladenden Handbewegung, ganz wie im Märchen vom gestiefelten Kater, der überall behauptet: »Das gehört meinem Herrn, dem Grafen.« Schließlich ging der Wald in ein parkähnliches Gelände über, die Wege, kniehoch buchsbaumeingefasst, von Bogenlampen erleuchtet, Kies knirschte; ein langgestrecktes, mehrstöckiges Gebäude kam in Sicht. »Herrenhaus«, schoss mir durch den Kopf, und dass ich mir so die Keyserling’schen Häuser vorstellte, Häuser für Barone und Komtessen - oder für Kakaofabrikanten.

    Godehard bog vom Hauptweg ab, unter den Rädern wurde es wieder still. Er fuhr jetzt im Schritttempo und kurbelte das Fenster hinunter: »Hier rechts siehst du das Haus unseres Gärtners; dahinter die Stallungen. Drüben wohnt der Butler mit seiner Familie. Dort der Bungalow meines Bruders, und hier sind wir bei mir. Hier bei mir.«
    Der Wagen hielt vor einem doppelstöckigen Backsteinhaus, blassrote Ziegel, die Rahmen um Fenster und Türen aus einem helleren Stein, die Mauern über und über mit knospendem Weinlaub bedeckt wie bei Schönenbachs Gärtnerei, unserem Haus gegenüber. Fehlte nur noch die Katze auf dem Sims. Durch die Wiese mit blühenden Tulpen und Narzissen führte ein schmaler Pfad auf die dunkle, mit Schnitzwerk verzierte Tür. Grüne Fensterläden mit Eisenmännchen befestigt, genau wie an unserem Haus. Nur war dieses hier mehr als doppelt so groß. Für nur eine Person. Im Dämmerlicht schienen die Mauern direkt aus dem Gras zu wachsen. Das Haus gefiel mir sehrsehr gut.
    »Gefällt es dir?«, freute sich Godehard. »Das alte Jagdhaus. Aber der Jäger wohnt jetzt in der Stadt. Der Schulweg war für die Kinder zu weit.« Zwischen den Bäumen, die die Wiese umgaben, standen Autos. Ein paar Motorroller. Saxophontöne aus den geöffneten Fenstern, ein verrauchter Bass sang »God’s my lord, heart and soul« oder so ähnlich.
    »Komm, gib mir den Mantel.« Godehard griff nach meinen Schultern, streifte mir den Hanni-Mantel ab, über die Schwelle schritt ich im Godehard-Kleid.
    Aus der engen Diele - nur ein Zwölfender über der Flurtür erinnerte noch an den ehemaligen Bewohner -

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