Aufbruch zu den Sternen - Roman
Strahlungseffekt«, erklärte Collins. »Wir befinden uns noch in seinem Ausstrahlungsfeld, das aber viel zu schwach ist, um gefährlich zu sein.«
Er wandte sich nach dem Teleskop um, dessen Eigentümer ebenfalls vorübergehend das Weite gesucht hatte.
»Das trifft sich ja günstig«, sagte er. »Ich wollte zwar selber keine nähere Inspektion vornehmen, aber eine solche Gelegenheit kehrt vielleicht nicht wieder – das heißt, wenn wir auf diese Entfernung überhaupt etwas sehen können.«
»Erklären Sie mir doch einmal ganz genau, was Sie tun wollen«, bat Dirk, als sein Freund eine Einstellung an dem Okular vornahm.
»Dies ist ein Reaktorelement aus dem Brenner«, sagte Collins zerstreut. »Wir wollen es auf Aktivität untersuchen. Hm – scheint durchaus noch in Ordnung zu sein. Wollen Sie auch einen Blick darauf werfen?«
Dirk schaute durch das Teleskop. Er konnte ein paar Quadratzentimeter Fläche erkennen – Metall, wie es auf den ersten Blick schien; doch dann sah er, dass es sich um eine Art von keramischem Überzug handeln musste. Er hatte es so nahe vor Augen, dass er die Oberflächenstruktur deutlich ausmachen konnte.
»Was würde geschehen, wenn man es berührte?«, sagte er.
»Man würde sich unbedingt schwere, erst spät in Erscheinung tretende Verbrennungen zuziehen. Wenn man lange genug in der Nähe bliebe, hätte das den Tod zur Folge.«
Fasziniert starrte Dirk auf die harmlos aussehende graue Oberfläche, die nur ein paar Zentimeter entfernt zu sein schien, und erschauerte.
»Vermutlich sehen die einzelnen Teile einer Atombombe ganz ähnlich aus«, sagte er.
»Zum Mindesten genauso harmlos«, erwiderte Collins. »Nur dass hier keinerlei Explosionsgefahr besteht. Das spaltbare Material, das wir benützen, ist völlig denaturiert. Wenn wir uns große Mühe gäben, könnten wir zwar eine Explosion hervorrufen – aber nur eine sehr geringfügige.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Dirk argwöhnisch.
»Oh, nur einen gewaltigen Knall«, sagte Collins erheitert. »Ich kann Ihnen die genauen Zahlen zwar nicht aus dem Kopfe sagen, aber die Wirkung würde ungefähr dieselbe sein wie von ein paar hundert Tonnen Dynamit. Wirklich kein Grund zu irgendwelchen Befürchtungen!«
XXVI
Der Aufenthaltsraum für die leitenden Angestellten erinnerte Dirk stets an einen etwas zweitrangigen Londoner Klub. Auch die Tatsache, dass er nie in einem Londoner Klub – ob erstklassig oder zweitrangig – gewesen war, konnte ihn in dieser Überzeugung nicht erschüttern.
Dabei waren die Briten, die sich dort aufhielten, gewöhnlich in der Minderheit, und im Verlauf eines Tages konnte man fast jede Sprache und jeden Dialekt dort hören. Das beeinträchtige die Atmosphäre des Ortes jedoch kaum, die von dem hundertprozentig englischen Barmann und seinen beiden Assistenten auszugehen schien. Trotz des Ansturmes hatten sie dafür gesorgt, dass hier im Zentrum der Geselligkeit von Luna City der Union Jack weiterwehte. Nur einmal hatten sie Gelände aufgeben müssen, aber auch das war rasch wieder erobert worden. Vor sechs Monaten hatten die Amerikaner eine fabrikneue Coca-Cola-Maschine importiert, die sich für eine Weile schimmernd von der dunklen Holztäfelung abgehoben hatte. Doch nicht lange; es hatte einige eilige Beratungen und intensive mitternächtliche Tischlerarbeit in den Werkstätten gegeben. Und als die durstigen Kunden eines Morgens auftauchten, mussten sie feststellen, dass die Verchromung verschwunden war und dass sie sich ihre Getränke jetzt von einem Ausschank holen mussten, der wie eines der weniger gelungenen Meisterwerke des verstorbenen Herrn Chippendale aussah. Der Status quo war wieder hergestellt worden, und auf die Frage, wie das denn zugegangen wäre, stellte sich der Barman völlig unwissend.
Dirk kehrte täglich mindestens einmal dort ein, um seine Post abzuholen und die Zeitungen zu lesen. Abends war es gewöhnlich ziemlich voll, und er zog es vor, auf seinem Zimmer zu bleiben, aber heute Abend hatten Maxton und Collins ihn zum Mitkommen bewogen. Die Unterhaltung drehte sich, wie üblich, um das bevorstehende Ereignis.
»Ich möchte mir eigentlich den Vortrag anhören, den Taine morgen hält«, sagte Dirk. »Er spricht über den Mond, nicht wahr?«
»Ja; und ich wette, dass er seine Worte sehr sorgfältig abwägen wird, jetzt, wo er weiß, dass er mitfliegt.«
»Wir haben ihm völlig freie Hand gelassen«, erklärte Maxton. »Er wird wahrscheinlich über langfristige Pläne
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