Aufbruch zu den Sternen - Roman
einem rechten Winkel nach vorn ausgeschwungen sein. Dirks Füße würden sich dann an der Wand vor ihm befunden haben, und das Okular des Periskops, auf das er jetzt fast trat, wenn er nicht aufpasste, würde eine bequeme Handhabe geboten haben. Wegen dieser Rotation, an die der Mensch sich erst gewöhnen musste, war es schwer zu sagen, welche Empfindungen der Pilot auf seinem Sitz haben würde.
Dirk erhob sich und kam heruntergeklettert. Schweigend folgte er Collins bis zur Luftschleuse, verweilte jedoch noch einen Augenblick an der dicken ovalen Tür und warf einen letzten Blick auf die stille Kabine.
»Auf Wiedersehen, kleines Schiff«, verabschiedete er sich in Gedanken. »Auf Wiedersehen – und viel Glück!«
Als sie hinaustraten, war es bereits dunkel. Auf der Betonfläche unten spiegelten sich die Reflexe der Scheinwerfer. Ein kalter Wind wehte, und der Nachthimmel funkelte von Sternen, die Dirk nie bei Namen kennen würde. Collins, der neben ihm in der Dunkelheit stand, packte ihn plötzlich am Arm und deutete schweigend auf den Horizont.
Dort schwebte, kaum erkennbar im Widerschein der letzten Abendröte, die zwei Tage alte Sichel des zunehmenden Mondes. In ihren Armen hielt sie die schwach erleuchtete Scheibe, für die es erst noch Tag werden sollte. Dirk versuchte, sich die großen Berge und zerklüfteten Ebenen vorzustellen, die auf den Sonnenaufgang harrten und dennoch bereits im kalten Licht der fast vollen Erde glänzten.
Millionen Male hatte die Erde über diesem schweigenden Land ab- und zugenommen, und nur Schatten waren bisher über seine Oberfläche gehuscht. Seit der Entstehung des Lebens auf Erden war dort vielleicht ein Dutzend Krater eingebrochen und zerfallen, aber sonst hatte sich nichts verändert. Und jetzt endlich, nach so langer Zeit, sollte die Einsamkeit dort oben ein Ende haben.
XXVIII
Zwei Tage vor dem Start war Luna City wahrscheinlich einer der Orte auf Erden, wo es am ruhigsten zuging und wo am wenigsten Aufregung herrschte. Bis auf das letzte Auftanken und einige Letzte-Minuten-Handgriffe waren alle Vorbereitungen abgeschlossen. Jetzt musste man tatenlos warten, bis der Mond seinen Bestimmungspunkt erreicht haben würde.
Überall in den Redaktionen der großen Zeitungen bereitete man Schlagzeilen vor und schrieb Geschichten in den verschiedensten Fassungen, die sich mit wenigen Strichen auf jeden nur erdenklichen Sachverhalt umfrisieren lassen würden. In Eisenbahnabteilen und Omnibussen tauschten Menschen, die einander völlig fremd waren, beim geringsten Anlass ihre astronomischen Kenntnisse aus. Nur ein ganz außergewöhnlicher Mord hätte Aussicht gehabt, die Aufmerksamkeit zu erregen, die derartige Vorkommnisse normalerweise auf sich ziehen.
Auf sämtlichen Kontinenten wurden Langstrecken-Radargeräte darauf abgestimmt, »Alpha« auf ihrer Fahrt in den Weltraum zu folgen. Mit Hilfe der kleinen Radaranlage an Bord des Schiffes würde man imstande sein, seine Position jeden Augenblick genau zu bestimmen.
In einem unterirdischen Bunker der Princeton-Universität stand eine der größten elektronischen Rechenmaschinen der Welt einsatzbereit. Sollte das Schiff seine Bahn aus irgendeinem Grunde ändern müssen, oder gezwungen sein, seine Rückkehr zu verzögern, so musste eine neue Flugbahn durch die veränderlichen Gravitationsfelder der Erde und des Mondes ausgerechnet werden. Selbst wenn man ein ganzes Heer von Mathematikern zur Lösung dieser Aufgabe einsetzte, würden Monate darüber vergehen; die Princeton-Rechenmaschine dagegen konnte das Problem in wenigen Stunden lösen und fertig gedruckt vorlegen.
Sämtliche Radioamateure der Welt, die sich auf die Frequenz des Raumschiffes einschalten konnten, unterzogen ihre Geräte einer letzten Prüfung. Allerdings würden nur wenige von ihnen in der Lage sein, die hyperfrequenzierten, pulsmodulierten Signale des Schiffes zu empfangen und zu interpretieren. Schon lagen die Wachhunde des Äthers, die Nachrichtenkommissare, auf der Lauer, um sofort eingreifen zu können, falls ein unautorisierter Sender in das Netz einzubrechen versuchen sollte.
Auf ihren Berggipfeln trafen die Astronomen Vorbereitungen, die Landung zu photographieren und die besten und klarsten Aufnahmen zu erzielen. »Alpha« war viel zu klein, als dass man sie hätte sehen können, wenn sie den Mond erreichte – aber der feurige Strahl aus ihren Düsen, der auf dem lunaren Gestein zerspritzen würde, musste auf eine Entfernung von mindestens eine
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