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Aufbruch zu den Sternen - Roman

Aufbruch zu den Sternen - Roman

Titel: Aufbruch zu den Sternen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Million Meilen sichtbar sein.
    In der Zwischenzeit gaben die drei Männer, auf die sich das Interesse der Weltöffentlichkeit konzentrierte, gelegentliche Interviews, schliefen stundenlang oder spielten Tischtennis zur Entspannung, der einzige Sport, zu dem in Luna City Gelegenheit war. Leduc, der einen makabren Sinn für Humor hatte, machte sich ein Vergnügen daraus, seinen Freunden die nutzlosen oder beleidigenden Dinge aufzuzählen, die er ihnen in seinem Testament vermacht habe. Richards benahm sich, als hätte sich überhaupt nichts ereignet und traf genaue Verabredungen für drei Wochen im Voraus. Taine ließ sich überhaupt kaum blicken; später sickerte durch, dass er mit der Niederschrift einer mathematischen Abhandlung beschäftigt gewesen war, die nur wenig mit astronautischen Problemen zu tun hatte, sondern sich mit der insgesamt möglichen Anzahl von Bridgespielen und der Zeit befasste, die man brauchen würde, um sie alle durchzuspielen.
     
    *
     
    Sir Robert Derwent lag völlig entspannt in seinem Armstuhl; das Zimmer war dunkel, nur die Leselampe brannte und warf einen schmalen Lichtstreifen. Jetzt tat es ihm fast leid, dass sich in letzter Minute nicht noch einer jener Zwischenfälle ereignet hatte, der einen Aufschub von zwei oder drei Tagen erforderlich gemacht hätte. Bis zum Abflug mussten immer noch eine Nacht und ein Tag und noch eine Nacht verstreichen – und es gab nichts, was man hätte tun können, außer zu warten.
    Der Generaldirektor wartete nicht gern. Warten gab ihm Muße zum Nachdenken, und Denken war der Feind der Zufriedenheit. Und jetzt, in den stillen Nachtstunden, die ihn dem größten Augenblick seines Lebens näher brachten, saß er da und ließ seine Gedanken in die Vergangenheit und die eigene Jugend zurückschweifen.
    Die vierzig Jahre Kampf, Erfolg und Enttäuschung lagen noch immer vor ihm in der Zukunft. Er war wieder ein Jüngling, der gerade erst sein Studium begonnen hatte, und der Zweite Weltkrieg, der ihm sechs Jahre seines Lebens gestohlen hatte, zeichnete sich erst als bedrohliche Wolke am Horizont ab. Er lag in einem Wäldchen in Shropshire, und es war einer jener Frühlingsmorgen, die nie wieder gekommen waren, und das Buch, das er las, war dasselbe, das er jetzt in Händen hielt. In verblasster Tinte standen auf dem Vorsatzblatt in merkwürdig unausgeschriebener Handschrift die Worte: »Robert A. Derwent. 22. Juni 1935.«
    Es war dasselbe Buch – aber wo war die Musik der singenden Worte geblieben, die ihn einst ergriffen hatten? Er war zu weise und zu alt geworden, die Alliterationstricks und Wiederholungen vermochten ihn nicht mehr zu täuschen, und der Mangel an gedanklicher Substanz war zu klar. Und dennoch klang es immer wieder wie ein leises Echo aus der Vergangenheit in ihm nach, und immer wieder strömte das Blut heftig in seine Wangen wie damals vor vierzig Jahren. Manchmal genügte eine einzige Zeile:
     
    »O Lautenklang der Liebe hier im Totenreich!«
     
    Mitunter ein Zweizeiler:
     
    »Bis Gott dann loslässt über Land und Meer
    den Donner der Trompeten einer Nacht.«
     
    Der Generaldirektor starrte ins Weite. Er selbst entfesselte jetzt einen solchen Donner, wie ihn die Welt noch nie vernommen hatte. Die Matrosen der Schiffe auf dem Indischen Ozean würden nach oben blicken, sobald die dröhnenden Motoren über den Himmel stürmten; die Teepflanzer in Ceylon würden sie hören; leiser und gedämpfter zwar, schon hoch über Afrika. Und vom Saum des Weltalls her würde der letzte Widerhall gerade noch auf den arabischen Ölfeldern vernehmbar sein.
    Sir Robert blätterte die Seiten müßig um, nur dort innehaltend, wo die flüchtigen Worte ihn ansprachen.
     
    »Die wir im Angesicht der dritten Welle schwimmen,
    die größer ist als unsere Sterblichkeit,
    was können wir schon dem Engpass der Zeit
    und dem Treibsand des Daseins abgewinnen?«
     
    Was hatte er der Zeit abgenommen? Weit mehr als andere Männer, das wusste er. Und dennoch war er fast vierzig gewesen, ehe er sein Lebensziel gefunden hatte. Schon immer hatte er eine Liebe zur Mathematik gehabt, aber für längere Zeit war das nur eine ziellose Leidenschaft gewesen. Selbst jetzt erschien es ihm, als hätte der Zufall das aus ihm gemacht, was er war.
     
    »Einst lebte im alten Frankreich hold
    ein Sänger am mittelländischen Meer.
    In einem Land voll Sand, Ruinen und Gold
    erstrahlte ein Weib, als ob nichts außer ihr wär.«
     
    Der Zauber wirkte nicht mehr. Seine Gedanken

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