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Aufbruch zu den Sternen - Roman

Aufbruch zu den Sternen - Roman

Titel: Aufbruch zu den Sternen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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schweiften in die Kriegszeit zurück, als er an der lautlosen Schlacht in den Laboratorien teilgenommen hatte. Während andere Männer zu Lande, auf See und in der Luft starben, hatte er die Elektronen auf ihrem Wege durch ineinandergreifende magnetische Felder verfolgt. Nichts hätte abgekapselter und akademischer sein können; und dennoch hatte die Tätigkeit, an der er teilgenommen, zur Entwicklung der gewaltigsten taktischen Waffe des Krieges geführt.
    Vom Radar zur Himmelsmechanik, von den Bahnen der Elektronen bis zu den Umlaufbahnen der Planeten um die Sonne war es nur ein kleiner Schritt gewesen. Dieselben Methoden, die er auf den Mikrokosmos des Magnetrons angewandt hatte, ließen sich auch im kosmischen Maßstab verwenden. Vielleicht hatte er nur Glück gehabt. Nach nur zehnjähriger Arbeit war es ihm gelungen, seinen Ruf endgültig dadurch zu begründen, dass er das Drei-Körper-Problem in Angriff genommen hatte. Und zehn Jahre danach war er zur allgemeinen Überraschung – einschließlich seiner eigenen – Hofastronom gewesen.
     
    »Pulsschlag des Kriegs, bohrend und bitter,
    murmelnde Himmel, hörbarer Schein,
    singende Sterne und Liebesgewitter,
    Musik, das Herz erfreuend wie Wein.«
     
    Er hätte sein ganzes ferneres Leben auf diesem Posten bleiben und erfolgreich weiterarbeiten können, aber der Zeitgeist der Astronautik hatte ihn mit Gewalt ergriffen. Er hatte gewusst, dass die Durchquerung des Weltraums dicht bevorstand, nur dass es so schnell gehen würde, hatte er zuerst nicht geahnt. Als ihm diese Erkenntnis endlich gekommen war, hatte er gewusst, dass er sein Lebensziel gefunden habe, und er hatte ernten können, was er in langen mühevollen Jahren aufgebaut hatte.
     
    »Ah, hätt ich mich nicht zusammengerissen,
    auf alles verzichtet, was das Leben uns gibt,
    nicht entsagt dem Wein und andern Genüssen,
    nicht so kühn geträumt, mehr gehofft und geliebt?«
     
    Er blätterte weiter und schlug immer mehrere vergilbte Seiten auf einmal um, bis er gefunden hatte, was er suchte. Hier endlich war noch etwas von der alten Verzauberung zu spüren, hier hatte sich nichts geändert, und die Worte zogen ihn mit dem alten beharrlichen Rhythmus in ihren Bann. Es hatte eine Zeit gegeben, da er diese Verse in einer Art von Besessenheit stundenlang im Geiste vor sich hin gesagt hatte, bis die einzelnen Worte ihre Bedeutung verloren hatten.
     
    »Nicht Stern noch Sonne dann,
    kein wechselndes Licht,
    schweigender Ozean,
    kein Laut, keine Sicht,
    weder Welken noch Blühen,
    weder tägliches Mühen,
    nur ewiger Schlaf
    in ewiger Nacht.«
     
    Die ewige Nacht würde anbrechen, und zwar würde die Menschheit es als viel zu früh für sie empfinden. Aber er würde zum Mindesten noch die Sterne kennenlernen, ehe die Menschheit verkam und verging. Ehe es wie ein Traum verwehte, würde das Universum ihm seine Geheimnisse preisgeben müssen. Oder wenn nicht ihm, dann anderen, die nach ihm kämen und seine Arbeit zu Ende führen würden.
    Sir Robert klappte den schmalen Band zu und stellte ihn zurück in das Regal. Sein Ausflug in die Vergangenheit hatte in der Zukunft geendet, und es war Zeit, zurückzukehren.
    Das Telefon neben seinem Bett meldete sich in kurzen, heftigen Stößen.

XXIX
     
    Niemand erfuhr je viel über Jefferson Wilkes, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es nicht viel über ihn zu erfahren gab. Fast dreißig Jahre hatte er als kleiner Buchhalter in einer Fabrik in Pittsburg gearbeitet und war während dieser ganzen Zeit nur eine Gehaltsgruppe höher gerückt. Er verrichtete seine Arbeit mit jener emsigen Gründlichkeit, die seine Arbeitgeber zur Verzweiflung brachte. Gleich Millionen seiner Zeitgenossen hatte er von der Zivilisation, in welcher er lebte, praktisch überhaupt nichts begriffen. Vor fünfundzwanzig Jahren hatte er geheiratet, und niemand war überrascht gewesen, als man erfuhr, dass seine Frau ihn innerhalb weniger Monate wieder verlassen hatte.
    Nicht einmal seine Freunde – obschon es keinerlei Anhaltspunkte dafür gab, dass er je welche gehabt hätte – würden behauptet haben, dass er ein tiefer Denker sei. Und doch gab es ein Gebiet, über das er, auf seine Weise, ernsthaft nachgedacht hatte.
    Niemand würde je erfahren, was den unscheinbaren kleinen Mann anfänglich dazu bewogen haben mochte, sich mit den Sternen zu befassen. Höchstwahrscheinlich war das Motiv dafür in dem Verlangen zu suchen, der grauen Alltagswirklichkeit für eine Weile zu entfliehen. Was der

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