Auferstanden: Thriller (German Edition)
war in einen Armenfriedhof verwandelt worden. Das Land hatten die Trudeaus in den Vierzigerjahren der Stadt New York geschenkt für die Leichen Unbekannter, für Waisenkinder, die alleine starben, für Häftlinge, deren Urteile sie aus der Gesellschaft verbannten und die nun bis in alle Ewigkeit verlängert wurden. Es hieß, dass das vierzig Hektar große Gebiet im Süden der Insel in den Fünfzigern vollständig belegt war, und daher begannen sie, die Toten auf den Toten zu begraben. In den Sechzigern ging die Stadt dazu über, die Toten einzuäschern. In den Achtzigern war der Armenfriedhof so stark mit Bäumen, Sträuchern und Unkraut überwuchert, dass die Erinnerung an die Toten ausgelöscht wurde.
Der nahegelegene Friedhof war wie geschaffen dazu, schauerliche Geschichten zu erfinden, die die Jungs am Lagerfeuer zum Besten gaben. Je mehr Bier floss, desto fantastischer wurden die Erzählungen, und die Mädchen suchten in den Armen ihrer Freunde Schutz. Jack, der niemals an Geister geglaubt hatte, verwirrte es immer, dass so viele Menschen einsam und vergessen starben und niemanden zurückließen, der über ihr Leben sprach.
Die Schreie der fernen Möwen rissen ihn aus den Gedanken. Er drehte sich gerade um, als seine Mutter auf einem der Wege des Naturschutzgebietes auftauchte. Theo, der gelbe Labrador, riss an der Leine und jaulte aufgeregt, als er den Besucher erkannte. Jacks Mutter, die kaum fünfzig Kilogramm wog und versuchte, den Hund zurückzuhalten, fiel fast in Ohnmacht, als sie ihren Sohn erblickte. Jack rannte auf sie zu. Seine Mutter klammerte sich an ihn, wie sie es getan hatte, wenn er sich als Kind nach Einbruch der Dunkelheit noch draußen herumtrieb.
»Ich hab in den Nachrichten gehört …«, sagte sie keuchend und begann zu zittern.
»Ich weiß.«
»Ich hab versucht anzurufen …« Heidi Keeler strich sich eine Strähne ihres ergrauten Haars aus dem Gesicht. »Wo ist Mia?«
Jack schaute seiner Mutter in die Augen, die ihn ängstlich musterte. »Ich weiß es nicht.«
Die Morgensonne drang durch das große Terrassenfenster des großzügig geschnittenen Wohnzimmers. Heidi Keeler war eifrig damit beschäftigt, das Frühstück zuzubereiten. Wenn sie unter Stress stand, zog sie sich gerne in die Küche zurück. Eier und Speck brutzelten in der Pfanne, die Aufbackbrötchen im Backofen waren fast fertig, und der Duft frischen Kaffees schwebte in der Luft.
Mit dem blauen und dem braunen Teddy unter den Armen lief Jack entschlossenen Schrittes durch das Wohnzimmer. Er griff hinter den TV -Tisch und zog den Stecker des Fernsehers und des Radios aus der Steckdose.
»Du hättest die Teddys nicht mitzubringen brauchen. Wir haben so viel Spielzeug hier …«
»Kein Fernsehen und kein Radio heute, Mom. Geh mit den Mädchen zum Strand, und halte sie vom Telefon fern.«
»Okay«, sagte seine Mutter. »Kommt dein Freund ins Haus, oder soll ich ihm das Frühstück zum Wagen bringen?«
»Er telefoniert. Wir können nicht lange bleiben.«
»Dann packe ich ihm etwas ein«, sagte Heidi und nahm die Alufolie aus dem Schrank.
»Wo ist dein Computer …?«
»Im Arbeitszimmer auf dem …«
Jack rannte schon hinaus und lief in das angrenzende, mit gebleichter Eiche getäfelte Arbeitszimmer. Zwischen den Büchern über das Segeln, Golfen, Angeln und die Finanzwirtschaft lagen Treibhölzer und Muscheln auf den Regalen. Der Computer seiner Mutter stand auf dem Schreibtisch. Der Bildschirmschoner, ein Bild von Hope und Sara, lief und war mit dem Multifunktionsgerät mit Drucker und Scanner auf dem Beistelltisch verbunden. Jack krempelte schnell den Ärmel auf, hob die Abdeckung des Scanners hoch und legte seinen tätowierten linken Arm auf die Glasplatte. Nachdem er die Abdeckung heruntergeklappt hatte, drückte er auf Scannen und schaute zu, wie das helle Licht unter der Glasplatte hindurchfuhr. Nach wenigen Sekunden erschien das eingescannte Tattoo auf dem Monitor. Es sah aus wie ein tätowiertes Stammessymbol der Maori, das man in einem Artikel des Smithsonian Magazine finden könnte.
»Was hast du denn da gemacht?«
Jack drehte sich zu seiner Mutter um, deren Blick zwischen dem Monitor und seinem Arm hin- und herwanderte. »Das ist eine lange Geschichte.«
»Was hat das alles zu bedeuten, Jack?«
Jack setzte sich vor den Computer und öffnete das E-Mail-Programm seiner Mutter. Dann hängte er das Dokument mit dem eingescannten Tattoo als Anlage an eine E-Mail und drückte auf Senden. »Ich hab
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