Auferstanden: Thriller (German Edition)
keine Ahnung und nicht viel Zeit. Du kennst nicht zufällig einen Sprachexperten, oder?«
Seine Mutter schüttelte den Kopf, während sie sich zum Monitor vorbeugte und das Tattoo auf seinem Arm betrachtete. »Das sieht schrecklich aus«, sagte sie.
»Danke.«
»Columbia.«
»Was?« Jacks BlackBerry piepte. Er zog es heraus und schaute aufs Display. Die E-Mail, die er sich gerade geschickt hatte, war angekommen.
»Dort gibt es einen großen Fachbereich für Sprachen und Soziologie.« Heidi sah sich das Tattoo genauer an. »Und ich bin sicher, für Linguistik und Anthropologie auch. Mein Gott, Jack, das sieht wirklich furchtbar aus.«
»Denk dran, was ich dir über die Mädchen gesagt habe.« Jack küsste seine Mutter auf die Wange und rannte hinaus.
Er stieg wieder die Treppe hinauf und betrat sein ehemaliges Zimmer. Hope und Sara schliefen tief und fest. Jack starrte sie an. Der Gedanke, dass sie in Sicherheit waren und nicht wussten, was vor sich ging, tröstete ihn. Sie waren noch so jung, dass sie nichts von den Gefahren und der rauen Wirklichkeit des Lebens wussten. Leise trat er ans Bett und steckte die beiden Teddys zwischen ihnen unter die Decken.
Als Jack sich umdrehte, um zur Tür zu gehen, schrak er zusammen, denn dort saß der Mann, mit dem er hier am wenigsten gerechnet hatte. Jacks Verhältnis zu seinem Schwiegervater war schlecht, aber das zu seinem eigenen Vater noch viel schlechter. Sie hatten seit Monaten kein Wort miteinander gesprochen, und ihre Gespräche im Laufe der letzten Jahre konnte man fast an den Fingern einer Hand abzählen. Es begann immer freundlich mit gekünsteltem Lächeln und Händeschütteln, mit Small Talk über das Wetter und die Kinder und vielleicht noch über die Yankees. Nach dreißig Sekunden höflicher Konversation sprach David Keeler allerdings nur noch über sich, seine Welt, sein Angeln, sein Golf und seinen anstrengenden Job. Danach dauerte es nicht mehr lange, bis sein Vater mit der Zuverlässigkeit eines Uhrwerks seine Kritik und Enttäuschung zum Ausdruck brachte. Ihm gefiel Jacks Berufswahl nicht, weil er seine Ausbildung verschwendete, um ein politisches Amt auszuüben, und weil er das Leben eines gewählten Beamten führte. Dass sein Sohn Menschen beschützte, Verbrechen bekämpfte und auf vieles verzichtete, weil er sich keinen besser bezahlten Job gesucht hatte, sah er nicht. Er sagte immer wieder, Jack würde sich unter Wert verkaufen und hätte mit seinem Studium ganz andere Möglichkeiten gehabt.
Jack kam sich vor wie ein dummer Junge ohne Daseinsberechtigung.
Als Jack seinen Vater nun ruhig dort auf seinem alten Holzstuhl sitzen sah, wunderte er sich, dass er ihn mit einem Blick anschaute, den Jack seit Jahren nicht bei ihm gesehen hatte. In seinen Augen spiegelten sich plötzlich Sorge und Kummer und nicht die Enttäuschung, die er sonst immer zeigte.
Jack starrte ihn eine ganze Weile an und verließ dann wortlos das Zimmer.
9. Kapitel
JACK
Jack Keeler konnte sich kaum an Zeiten erinnern, in denen er und sein Vater nicht unterschiedlicher Meinung gewesen waren, sich gestritten oder monatelang kein einziges Wort miteinander gesprochen hatten.
Seine Eltern waren zwar keine Millionäre, aber dennoch wuchs Jack in einer privilegierten Familie auf. Die erfolgreiche Karriere seines Vaters in der Finanzwirtschaft ließ es zu, dass ihm fast alle Wünsche erfüllt wurden. Er lebte wie in einer Seifenblase. Seine Freunde und ihre Familien hatten denselben Hintergrund, dieselben Moralvorstellungen und dieselben Ansichten. Jack glaubte, dass es in der ganzen Welt ähnlich zuging wie in seiner Stadt.
Er war der Torwart in der Eishockey-Mannschaft der Highschool, und er strengte sich mächtig an, um am Williams College in Massachusetts in der dritten Liga zu spielen. Sein Vater drängte ihn, in der ersten Liga zu spielen – dem Sprungbrett zu den Profis. Doch Jack gab sich keinen Illusionen hin, dass er jemals so gut sein würde, um in der NHL , der Profiliga, bestehen zu können. Er war froh, dass er eine gute Zeit hatte, und genoss den Sport einfach, weil es ihm Spaß machte. Durch das Eishockey bot sich ihm die Möglichkeit, ein College zu besuchen, das er von den Noten her nicht hätte besuchen können. Und in den ersten beiden Spielzeiten stand er auf dem Campus im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Jack war gerade zwanzig Jahre alt, als seine Welt auf den Kopf gestellt wurde. Sein Vater gehörte zu den Vorstandsmitgliedern einer kleinen
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