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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Ihnen möglich ist, suchen Sie die Sache nach dieser Seite hin zu günstigem Ende zu führen.«
    »Ja, ich habe einige Verbindungen im Senat.«
    »Und beeilen Sie sich, denn diese ehrwürdigen Beamten dürften bald ihre Hämorrhoiden pflegen, und dann müssen Sie drei Monate warten. Im Fall des Nichterfolges haben wir dann noch das Mittel eines Gnadengesuchs. Alles hängt von der Arbeit hinter den Kulissen ab, und ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß ich auch in diesem Fall zu Ihrer Verfügung stehe, sowohl um hinter den Kulissen zu arbeiten, wie auch um das Gesuch aufzusetzen.«
    »Ich danke Ihnen herzlich ... Und was das Honorar betrifft ...«
    »Mein Sekretär wird Ihnen eine Kopie des Dokumentes mit allen Angaben über die noch zu machenden Schritte geben.«
    »Noch um eins möchte ich Sie bitten. Der Staatsanwalt hat mir einen Erlaubnisschein gegeben, die Verurteilte in ihrem Gefängnis zu sprechen; doch ich möchte sie auch außer den Besuchstagen und anderswo als in dem gemeinsamen Sprechzimmer sehen. An wen habe ich mich zu wenden, um die Erlaubnis zu erhalten?«
    »An den Gouverneur! Doch er ist augenblicklich abwesend, und der Vizegouverneur vertritt ihn. Ein Idiot sondergleichen; ich zweifle, daß Sie bei dem etwas durchsetzen.«
    »Maslinnikoff, nicht wahr? Den kenne ich genau,« sagte Nechludoff und stand auf, um sich zu verabschieden.
    Während Nechludoffs Unterredung mit dem Advokaten war eine kleine, schrecklich häßliche, gelbliche und knochige Frau schnellen Schrittes in das Wartezimmer getreten. Das war Fajnitzins Frau. Ohne sich von ihrer Häßlichkeit entmutigen zu lassen, war sie mit größtem Luxus gekleidet. Sie hatte Spitzen, Sammet und Seide auf dem Leibe, und ihre aschfahlen Haare waren in der auffallendsten Weise frisiert. Sie war in den Salon gestürzt, wo ihr ein großer, magerer Mann mit erdfahlem Teint entgegeneilte, der einen Gehrock mit seidenen Aufschlägen trug. Es war ein Schriftsteller; Nechludoff kannte ihn von Ansehen.
    »Anatole!« sagte die Dame zu ihrem Gatten und öffnete die Thür seines Arbeitszimmers; »Simon Iwanowitsch ist da! Wir erwarten dich im kleinen Salon! Er bringt sein Gedicht mit, und du wirst uns deinen Aufsatz über Garschin vorlesen!«
    Nechludoff wollte sich verabschieden, doch die Dame wandte sich zu ihm:
    »Fürst Nechludoff, nicht wahr? Ich kenne Sie schon seit langer Zeit dem Namen nach. Machen Sie uns doch das Vergnügen, unserer literarischen Matinee beizuwohnen. Es wird sehr interessant, Anatole liest vollendet vor.«
    »Sie sehen, was für verschiedenartige Beschäftigungen ich habe!« sagte Anatole lächelnd und deutete mit einer Handbewegung auf seine Frau, als wolle er sagen, einem so verführerischen Weibe könne man nichts abschlagen.
    Doch Nechludoff dankte sehr höflich, allerdings mit etwas kühlem Gesicht, Frau Fajnitzin für die Ehre, die sie ihm erwies, und sagte ihr, er könne zu seinem großen Bedauern nicht annehmen.
    »Was ist das für ein Grimassenschneider!« sagte die Dame von ihm, als er sich entfernt hatte.
    Im Salon übergab der Sekretär Nechludoff eine Abschrift der Berufung und antwortete auf seine Frage wegen des Honorars, Anatole Petrowitsch habe dasselbe auf tausend Rubel festgesetzt, wobei er erklärend hinzufügte, Anatole Petrowitsch befasse sich nie mit Geschäften dieser Art und habe diese Sache nur aus reiner Gefälligkeit übernommen.
    »Und wer muß dieses Papier unterzeichnen?« fragte Nechludoff.
    »Die Angeklagte kann es selbst unterzeichnen, wenn sie dazu im stande ist, sonst wird es Anatole Petrowitsch für sie unterzeichnen.«
    »Nein, ich werde der Verurteilten das Papier bringen und es von ihr unterzeichnen lassen,« rief Nechludoff, glücklich, einen Vorwand zu haben, um sich schon am nächsten Morgen mit Katuscha wieder aussprechen zu können.

Dreizehntes Kapitel
    Zur gewöhnlichen Stunde ertönten die Pfiffe der Schließer in den Korridoren des Gefängnisses; die eisernen Thüren der Säle öffneten sich; Geräusch von Schritten ließ sich vernehmen; die Korridore füllten sich mit dem Gestank der Nachteimer, welche fortgetragen wurden; männliche und weibliche Gefangene kleideten sich an, der Appell wurde abgenommen, und alle setzten sich dann auf ihre Betten, um ihren Thee zu trinken.
    In allen Sälen herrschte an diesem Tage eine lebhafte Unterhaltung; dieselbe betraf das Ereignis des Tages, die Peitschung zweier männlicher Gefangenen. Der eine derselben war ein intelligenter und gebildeter

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