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Auferstehung 3. Band (German Edition)

Auferstehung 3. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 3. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Bezahlung einer Rente, die für ihre eigenen allgemeinen Bedürfnisse bestimmt war. Doch in Kuzminskoja hatte er die Dinge so gelassen, wie sie waren, als er abgereist war, das heißt, der Ertrag der Aecker sollte ihm selbst bezahlt werden. Er mußte jetzt nur noch die Zahlungstermine dieser Rente bestimmen, auch mußte er festsetzen, welchen Teil der Summe er für sich behalten und welchen Teil er den Bauern überlassen wollte. Auch bei diesem Punkte mußte Nechludoff noch warten, denn er wußte nicht, wie viel Kosten seine Reise nach Sibirien, die ihm jeden Tag wahrscheinlicher schien, verursachen würde. Die dritte Kategorie betraf die Unterstützung von Gefangenen, die sich in immer größerer Zahl fortwährend an ihn wandten. Die Zahl dieser Unglücklichen war so groß geworden, daß es Nechludoff ungemein schwer wurde, sich mit jedem einzelnen im besonderen zu befassen, ganz abgesehen davon, daß die geringen Erfolge seiner einzelnen Bemühungen nicht danach angethan waren, ihn zu ermutigen. Außerdem hatte er sich mit einer weit allgemeineren Frage zu beschäftigen, die ihm schon, als er das Gefängnis zum erstenmale betreten hatte, aufgefallen war. Diese Frage bestand in der Untersuchung, wie und warum die merkwürdige Einrichtung geschaffen werden konnte, die man das Kriminalgericht nennt und die die Gefängnisse, die Zuchthäuser, die Festungen und das Opfer von Tausenden von menschlichen Wesen zur Folge hat. Aus seinen persönlichen Beziehungen zu den Gefangenen, den von dem Advokaten und dem Seelsorger des Gefängnisses gelieferten Mitteilungen, sowie auch aus mit großer Geduld studierten gerichtlichen Statistiken hatte Nechludoff die Schlußfolgerung gezogen, daß sich die Gesamtheit der Verbrecher genannten Gefangenen in fünf Arten von Menschen teilen ließ. Der ersten Art gehörten die vollständig Unschuldigen an, die Opfer von Justizmorden, wie der angebliche Brandstifter Metschoff, die Maslow und andere. Nach Aussage des Beichtigers war die Zahl dieser Leute sehr beschränkt, etwa sieben Prozent. Dagegen verdiente ihre Lage ganz besonderes Interesse. Die zweite Art umfaßte Leute, die wegen Verbrechen verurteilt waren, die sie unter ganz außergewöhnlichen Verhältnissen begangen hatten, etwa in der Wut, Trunkenheit, Eifersucht und so weiter, Verbrechen, die die Richter dieser Männer wahrscheinlich unter denselben Verhältnissen auch begangen hätten. Diese Gefangenen waren ziemlich zahlreich vorhanden, es war ungefähr die Hälfte der Gesamtzahl, soweit Nechludoff es hatte berechnen können. In der dritten Gruppe befanden sich Leute, die wegen Verübung von Handlungen verurteilt worden waren, die in ihren Augen durchaus nichts Schuldiges hatten, doch in den Augen der Menschen, die mit der Abfassung und Anwendung der Gesetze betraut waren, als Verbrechen galten, so zum Beispiel die Gefangenen, die des Verkaufs von geschmuggeltem Branntwein, des Gras- oder Holzdiebstahls aus öffentlichen und privaten Besitzungen angeklagt waren. Die vierte Klasse von Verbrechern umfaßte einfach diejenigen, die einen höheren moralischen Wert als der Durchschnitt der Gesellschaft besaßen, wie die Mitglieder der verschiedenen Religionssekten, wie auch die Polen, die Tscherkessen, die man verurteilt hatte, weil sie ihre Unabhängigkeit verteidigt, wie die wegen Ungehorsam gegen die Behörde verurteilten politischen Gefangenen. Die fünfte Gruppe dieser Menschen bestand endlich aus Unglücklichen, gegen die die Gesellschaft unendlich schuldiger war, als sie es selbst dieser gegenüber waren. Das waren Menschen, die die Gesellschaft aufgegeben und die eine beständige Unterdrückung zum Vieh herabgewürdigt hatte, Leute von der Art des jungen Burschen, der die Besen gestohlen, und hundert andere Elende, die die Bedingungen ihres Lebens sozusagen systematisch dazu gebracht hatten, die als Verbrechen gewertete Handlung zu begehen. Es befanden sich in dem Gefängnis viele Diebe und Mörder, die dieser Kategorie angehörten, und ihr gesellte Nechludoff auch die von Hause aus und von Geburt verrohten Menschen zu, die eine neue Schule die geborenen Verbrecher nennt, und deren Existenz das stärkste Argument derjenigen bildet, die für die Notwendigkeit der Strafgesetzbücher und der Strafen stimmen. Auch diese Vertreter des sogenannten Verbrechertypus waren für Nechludoff Unglückliche, gegen die die Gesellschaft weit größeres Unrecht hatte, als sie es gegen sie hatten; denn anstatt nur gegen sie allein schuldig zu

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