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Auferstehung 3. Band (German Edition)

Auferstehung 3. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 3. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Aufsehers.
    Er hätte sie gern ebenso wie früher behandelt, doch als er versuchte, ihr die Hand zu reichen, war es ihm unmöglich, eine so große Abneigung hatte er gegen sie.
    »Ich bringe Ihnen eine schlimme Nachricht,« sagte er zu ihr mit ruhiger Stimme, doch ohne sie anzusehen oder ihr die Hand zu reichen, »Ihre Berufung ist verworfen.«
    »Ich wußte es im voraus!« versetzte sie ganz leise.
    Unter anderen Verhältnissen hätte Nechludoff sie gefragt, warum sie das sagte; doch diesmal beschränkte er sich darauf, sie anzusehen, und nun bemerkte er, daß ihr die Thränen in den Augen standen; doch anstatt ihn zu rühren, wurde er durch diesen Anblick nur noch ärgerlicher.
    Der Direktor stand auf und begann auf und ab zu gehen. Trotz seines Aergers glaubte Nechludoff der Maslow das Bedauern ausdrücken zu müssen, das er über die Verwerfung der Berufung empfand.
    »Verzweifeln Sie nicht,« sagte er, »man kann noch auf das Gnadengesuch rechnen und...«
    »O, das ist es nicht, was ...« versetzte sie und richtete klagend ihre thränenfeuchten Augen auf ihn.
    »Aber was denn?«
    »Sie sind nach dem Hospital gegangen und man hat Ihnen gesagt ...«
    »Ach was! Das geht nur Sie an!« versetzte Nechludoff stirnrunzelnd in trockenem Tone. Die Erwähnung des Hospitals hatte in ihm das elende Gefühl seines verletzten Stolzes aufs neue erweckt. »Ich, ein Mann von Welt, mit dem sich das vornehmste junge Mädchen mit Freuden verheiratet hätte, ich habe mich erboten, dieses Geschöpf zu heiraten, und sie, sie konnte nicht warten und hat mit einem Krankenwärter Streiche gemacht!« Als er sich das sagte, sah er sie mit bösen Augen an.
    »Sie müssen das unterzeichnen,« sagte er und legte ein großes Blatt Papier, das er aus der Brusttasche genommen, auf den Tisch. Die Maslow trocknete mit einem Zipfel ihres Kopftuches ihre Thränen, setzte sich an den Tisch und fragte ihn, wo sie unterzeichnen sollte.
    Er zeigte ihr die Stelle; während sie schrieb, stand er vor ihr und betrachtete ihren über den Tisch geneigten Rücken, der zeitweise von heftigem Schluchzen erschüttert wurde.
    In seiner Seele begann nun der Kampf der guten und bösen Gefühle, seines beleidigten Stolzes und seines Mitleids für sie, die er leiden sah, und das letztere Gefühl trug schließlich den Sieg davon. Dachte er zuerst daran, sie zu beklagen, oder erinnerte er sich zuerst an seine eigenen Fehler und besonders an die Fehler nach Art derer, die er der Unglücklichen zum Vorwurf machte? Jedenfalls fühlte er sich plötzlich schuldig, und sie that ihm leid.
    Sie hatte inzwischen zu Ende geschrieben, rieb ihre tintenfleckigen Finger an ihrem Rock, stand auf und sah ihn an.
    »Was auch geschehen mag und was Sie auch thun mögen, nichts wird meinen Entschluß ändern,« sagte Nechludoff zu ihr.
    Der Gedanke, er verzeihe ihr, stärkte sein Mitleid mit ihr nur noch mehr, und er empfand ein gebieterisches Bedürfnis, sie zu trösten.
    »Was ich Ihnen gesagt, werde ich thun. Wohin man Sie schickt, ich gehe mit Ihnen!«
    »Nicht nötig!« unterbrach sie ihn und errötete von neuem.
    »Und denken Sie auch an das, was Sie für die Reise brauchen.«
    »Ich danke, ich brauche nichts!«
    Der Direktor näherte sich ihm, und ohne seine Bemerkung abzuwarten, nahm Nechludoff von der Maslow Abschied und entfernte sich; er empfand dabei ein Gefühl, wie er es noch nie empfunden, ein Gefühl tiefer Ruhe und inniger Liebe für die Menschheit. »Jetzt sehe ich es,« sagte er sich stolz, »was die Maslow auch thun mag, nichts kann meine Anhänglichkeit für sie erschüttern. Wenn sie mit den Krankenwärtern Streiche macht, so ist das ihre Sache; die meine ist es, sie zu lieben, und zwar nicht um meinetwillen, sondern um ihret- und Gottes willen.«
     
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    Die »Streiche«, die die Maslow mit dem Krankenwärter gemacht, bestanden in Wirklichkeit in folgendem: Eines Tages, als sie die Krankenwärterin nach der Apotheke geschickt hatte, um Brustthee zu holen, war sie am äußersten Ende des Ganges dem Wärter Ustinoff begegnet, einem großen Manne mit sinnigem Gesicht, der sie schon seit langer Zeit mit seinen Galanterien verfolgte. Dieser Mensch hatte sie gepackt, sie hatte sich verteidigt und sich so lebhaft von ihm losgerissen, daß sie an ein Gestell gestoßen hatte und zwei daraus stehende Flaschen zerbrach. In demselben Augenblick kam der Oberarzt durch den Gang und sagte, als er das Geräusch des zerbrechenden Glases hörte und die Maslow blutrot und mit

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