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Auferstehung 3. Band (German Edition)

Auferstehung 3. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 3. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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wirren Haaren entfloh:
    »Na, Mütterchen, wenn du anfängst, hier Skandal zu machen, dann werde ich dich schnell wegbringen. Um was handelte es sich denn?« fragte er den Krankenwärter, den er mit strengen Augen anblickte.
    Der Wärter begann mit seinem blöden Lachen eine lange Geschichte, in der er alles Unrecht auf die Maslow abwälzte. Der Arzt ließ ihn übrigens nicht zu Ende reden, und noch an demselben Abend wurde die Maslow auf sein Ersuchen vom Lazarett fortgeschickt.
    Diese Strafe kümmerte sie an sich sehr wenig; doch der angegebene Grund betrübte sie um so mehr, als ihr der Gedanke an jede fleischliche Berührung mit einem Manne jetzt Abscheu einflöße. Nichts in der Welt demütigte und betrübte sie so sehr, als sich sagen zu müssen, daß sich jeder Mann auf Grund ihrer Vergangenheit berechtigt glaubte, ihr Gewalt anzuthun. Und als sie sich Nechludoff im Bureau genähert hatte, hatte sie die feste Absicht gehabt, sich vor ihm von den ungerechten Anklagen, die man gegen sie erhoben hatte, zu reinigen, Doch schon bei den ersten Worten, die sie zu ihm gesprochen, hatte sie gemerkt, er würde ihr nicht glauben, und alle ihre Entschuldigungen würden seinen Argwohn nur noch bestärken. Da waren ihr die Thränen in die Kehle gekommen, und sie hatte geschwiegen.
    Die Maslow bildete sich weiter ein, sie könne Nechludoff, wie sie es ihm bei seinem zweiten Besuche gesagt, nicht verzeihen und hasse ihn immer noch. In Wirklichkeit aber hatte sie bei diesem zweiten Besuche wieder angefangen, ihn zu lieben. Sie liebte ihn derart, daß sie unbewußt alles that, was er ihrer Ansicht nach nur wünschen konnte: sie hatte zu rauchen, zu trinken und an die Männer zu denken aufgehört; und um Nechludoff zu gefallen, hatte sie auch eingewilligt, im Hospital zu dienen. Alles, was sie that, that sie nur einzig und allein darum, weil sie ahnte, er wünsche es. Und wenn sie ihm jedesmal erklärte, sie wolle sein Opfer nicht, so kam das zuerst daher, daß sie sein Anerbieten zum erstenmale abgelehnt und nun ein Gefühl der Eigenliebe dabei empfand, auf ihrer Absicht zu beharren; doch es kam auch außerdem und hauptsächlich daher, weil sie fühlte, ihre Heirat mit Nechludoff würde für diesen eine Quelle des Schmerzes werden, und darum schwor sie sich mit allen Kräften zu, sein Opfer nicht anzunehmen. Gleichzeitig aber blutete ihr das Herz bei dem Gedanken, daß er sie verachtete und der Ansicht war, sie müsse stets so bleiben, wie sie gewesen, ohne die Veränderung kennen zu wollen, die sich in ihr vollzogen hatte. Der Gedanke, Nechludoff könne sie im Verdacht haben, Beziehungen zu dem Krankenwärter zu unterhalten, quälte sie weit mehr, als die Nachricht von der Verwerfung ihrer Berufung oder die Aussicht ihrer bevorstehenden Abreise nach Sibirien.

Siebentes Kapitel
    Die Maslow konnte zum ersten Zuge beordert werden, so daß Nechludoff keine Zeit zu verlieren hatte, wenn er seine Angelegenheiten vor ihrer Abreise noch regeln wollte. Doch die zu regelnden Angelegenheiten waren so zahlreich, daß er wohl fühlte, er würde in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit nicht damit zu stande kommen.
    Seine Lage war von diesem Gesichtspunkte aus anders als in der Vergangenheit. Früher hatte er allerdings Mühe gehabt, eine Beschäftigung zu finden, und alle seine Beschäftigungen hatten nur den einzigen Gegenstand gehabt, der eben in Dimitri Iwanowitsch Nechludoff selbst bestand; was ihn übrigens nicht gehindert hatte, seine Thätigkeit damals tötlich langweilig zu finden. Jetzt dagegen hatten seine Beschäftigungen nicht mehr ihn selbst zum Gegenstand, sondern einen andern, und trotzdem interessierten sie ihn, er begeisterte sich dafür, und ihre Zahl war endlos. Die Geschäfte, die ihn in diesem Augenblick in Anspruch nahmen, teilten sich in vier Kategorien; er selbst hatte sie mit seinen etwas pedantischen Gewohnheiten so eingeteilt und die darauf bezüglichen Papiere in vier verschiedene Brieftaschen einrangiert.
    Die erste Kategorie betraf alle auf die Maslow bezüglichen Angelegenheiten. Von dieser Seite aus war Nechludoff alles selbständige Handeln unmöglich, da alles von der Aufnahme abhing, die dem Gnadengesuch zu teil wurde. die zweite Kategorie betraf die verschiedenen Angelegenheiten, die sich auf das Vermögen der Nechludoffs bezogen. In dem Dorfe, das er von seinen Tanten geerbt, und in einem andern, noch kleineren Dorfe, hatte er alle seine Aecker den Bauern geschenkt und verlangte dafür nur die

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