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Auferstehung 3. Band (German Edition)

Auferstehung 3. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 3. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Zuerst kamen die zur Zwangsarbeit Verurteilten, die alle einförmig in graue Blusen gekleidet waren, flache Mützen auf ihren rasierten Köpfen und jeder einen Sack auf dem Rücken trugen; sie schleppten ihre mit Ketten beschwerten Füße nach und hielten mit der einen freien Hand das äußerste Ende des Sackes, der auf ihrem Rücken hing. Sie kamen mit festem und entschlossenem Schritte, den Arm bewegend, heraus, als wenn sie sich zu einem langen Marsche aufrafften; dann blieben sie, nachdem sie zehn Schritt gegangen waren, stehen und lockerten ihre Reihen. Nach ihnen kamen andere, in gleiche Blusen gekleidete und ebenfalls rasierte Männer, die aber keine Eisen an den Füßen hatten und nur an den Händen gefesselt waren. Das waren die zur Verschickung Verurteilten. Dann kamen in derselben Ordnung die Weiber; zuerst die zur Zwangsarbeit Verurteilten, in grauen Blusen und Kopftüchern; zweitens die Verschickten, und endlich die Weiber, die aus freien Stücken mitreisten, um ihren Männern zu folgen; diese trugen Bauernkleider. Mehrere von den Frauen hatten Kinder auf den Armen. Andere Kinder gingen zu Fuß, zwischen den Reihen zerstreut, wie junge Füllen in einer Pferdeherde. Die Männer rückten schweigend vorwärts und wechselten nur hier und da ein Wort. Dagegen erhob sich aus den Reihen der Weiber ein ununterbrochenes Stimmengewirr.
    Nechludoff glaubte die Maslow in dem Augenblick zu erkennen, als sie herauskam, doch bald verlor er sie wieder aus dem Gesicht; er sah nichts weiter als eine verworrene Menge grau gekleideter, gleich erscheinender Geschöpfe, denen man in gleicher Weise ihr menschliches Aussehen geraubt hatte.
    Man hatte die Verschickten bereits im Gefängnishofe gezählt, zählte sie aber, als sie herauskamen, zum zweitenmale. Als die Zählung vollendet war, rief der Offizier, der den Zug anführte, einen Befehl aus, und es erhob sich ein gewisser Tumult in der Menge. Die Kranken, Männer wie Frauen, verließen die Reihen und stürzten nach den Wagen, wo sie sich neben ihren Sachen niederließen. Nechludoff bemerkte in diesen Wagen in wirrem Durcheinander Mütter, die ihre Kinder stillten, kleine Jungen und kleine Mädchen und einige kranke Gefangene mit brummiger und düsterer Miene. Andere Gefangene mit unbedecktem Haupte baten den Offizier des Zuges um die Erlaubnis, in die Wagen steigen zu dürfen. Der Offizier that zuerst, als höre er nicht, wandte sich ab und wickelte sich eine Cigarette; doch plötzlich sah Nechludoff, wie er sich mit erhobener Hand zu einem der Gefangenen umwandte, die sich ihm näherten.
    »Ich werde dir Wagen geben; du wirst den Weg zu Fuß machen!« schrie der Offizier.
    Nur ein langer, am ganzen Leibe zitternder Greis, ein Zuchthäusler, bekam die Erlaubnis, in den Wagen zu steigen. Er nahm seine Mütze ab, schlug das Kreuz und versuchte längere Zeit, selbst hinaufzuklettern, doch es gelang ihm nicht, seine langen, mit Eisen beladenen Beine hoch genug zu heben, bis ein altes Weib ihm von dem Wagen aus heraufsteigen half, indem es ihn beim Arm nahm.
    Als die Wagen alle voll waren, nahm der Offizier die Mütze ab, trocknete sich mit dem Taschentuch die Stirn, den kahlen Schädel, seinen dicken roten Hals, schlug das Kreuz und kommandierte:
    »Vorwärts, marsch!«
    Die Soldaten schulterten das Gewehr, die Gefangenen nahmen ihre Mützen ab und bekreuzigten sich, ein Schrei erhob sich aus den Reihen der Frauen, und der Zug setzte sich, von den Soldaten eingeschlossen, in Bewegung, wobei sich bei jeder Bewegung der gefesselten Linie der Staub erhob. An der Spitze hinter den Soldaten schritten die zur Zwangsarbeit Verurteilten, dann kamen die Verschickten und darauf die Weiber. Hinter dem Zuge der zu vier und vier geordneten Gefangenen kamen langsam die Wagen; auf einem derselben sah Nechludoff eine dicht eingehüllte Frau sitzen, die unaufhörlich schluchzte und heulte. Der Zug war so lang, daß die ersten Reihen schon um die Ecke verschwunden waren, als die Wagen sich in Bewegung setzten.
    Nechludoff wartete noch einige Augenblicke, stieg dann wieder in seinen Wagen und befahl dem Kutscher, langsam zu fahren, um die Maslow wiederzufinden und sie fragen zu können, ob sie die Sachen erhalten, die er ihr geschickt hatte. Die Hitze war noch stärker geworden. Die Verschickten gingen sehr schnell und wirbelten dabei eine Staubwolke auf, die um sie herschwebte. Als Nechludoff sich den Frauenreihen gegenüber befand, erkannte er die Maslow sofort. Sie befand sich in der zweiten

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