Auferstehung 4. Band (German Edition)
nicht, warum ich diese Axt genommen habe. »Er« hat mir gesagt: »Nimm die Axt!« und da habe ich sie genommen. Man steigt wieder in den Schlitten und fährt los; ich denke nichts Böses. An die Axt dachte ich gar nicht mehr. Wir nähern uns dem Dorfe: noch sechs Werst. Wir müssen einen Hügel hinauffahren und durch einen Wald; ich steige ab, um das Pferd nicht anzustrengen, und nun flüstert er mir von neuem ins Ohr: »Na, woran denkst du denn? Oben auf dem Hügel, wenn du erst aus dem Walde heraus bist, sind doch Leute; da beginnt das Dorf. Dann nimmt er sein Geld mit! Na, verliere keine Zeit; der Augenblick ist gekommen! Ich neige mich zu dem Schlitten, als wollte ich das Stroh in Ordnung bringen, und die Axt fliegt mir von selbst in die Hand. Nun wendet sich der Mann nach mir um und sagt zu mir: »Was machst du denn da?« Da hebe ich die Axt; doch der Mann, ein kräftiger Bursch, wirft sich an die Erde und packt mich bei der Hand. »Hallunke,« ruft er mir zu, »was thust du da?« Dann wirft er mich in den Schnee, und ich, ich leiste keinen Widerstand, sondern lasse alles mit mir geschehen. Er bindet mir die Hände mit seinem Taschentuch, setzt mich in den Schlitten und führt mich geradeswegs zum Starosten. Man wirft mich ins Gefängnis und hält über mich Gericht. Das ganze Dorf giebt mir das Zeugnis, ich wäre ein ehrlicher Mann, und man hätte mir niemals einen Vorwurf machen können. Der Herr, bei dem ich diente, giebt mir auch ein gutes Zeugnis. Doch ich hatte nicht die Mittel, mir einen Advokaten zu leisten, und darum habe ich vier Jahre Zwangsarbeit bekommen.«
Und nun verriet dieser selbe Mann, um einen seiner Gefährten zu retten, Nechludoff ein Geheimnis, das ihm auf der Seele brannte; er setzte sich dabei der Gefahr aus, sein Leben einzubüßen, denn er wußte, die Gefangenen würden ihn zweifellos erdrosseln, wenn sie seinen Verrat entdeckten!
Achtes Kapitel
Die politischen Gefangenen hatten zwei kleine Zimmer inne, denen ein auf den Korridor hinausführendes Vorzimmer voranging. In diesem Vorzimmer fand Nechludoff Simonson, der an einem Ofen, mit einem Scheit Holz in der Hand, an der Erde kauerte und eifrig beschäftigt war, das Feuer anzuzünden.
Als er Nechludoff bemerkte, legte er das Holz einen Augenblick fort, um ihm die Hand zu reichen, ohne sich aber aus seiner hockenden Lage zu erheben.
»Ich bin glücklich, daß Sie gekommen sind, denn ich habe mit Ihnen zu sprechen,« sagte er mit seiner ernsthaften Miene, indem er Nechludoff gerade in die Augen sah.
»Was giebt's denn?« fragte Nechludoff.
»Das werde ich Ihnen später sagen. Für den Augenblick bin ich beschäftigt!«
Mit diesen Worten nahm Simonson das Scheit wieder auf und begann, auf das Feuer aufzupassen, das er nach einer rationellen Methode eigenster Erfindung angezündet hatte.
Nechludoff wollte in die erste der beiden Stuben eintreten, als er die Maslow aus dem andern Zimmer treten sah, die in einer Schürze einen ungeheuren Packen Unrat und Staub trug, das sie in den Ofen werfen wollte. Sie trug ihre weiße Jacke und Holzschuhe an den Füßen. Ihren Kopf bedeckte ein weißes Tuch, das die Hälfte ihres Gesichts verbarg, und, um bequemer ausfegen zu können, hatte sie ihre Röcke sehr hoch aufgeschürzt. Als sie Nechludoff erblickte, wurde sie rot; dann legte sie ihren Packen an die Erde, wischte sich die Hände, indem sie sie an ihrem Rocke rieb, und trat mit sehr lebhaftem Gesicht auf Nechludoff zu.
»Sie räumen auf?« fragte Nechludoff, indem er ihr die Hand drückte.
»Ja, ich habe meinen alten Beruf wieder aufgenommen,« versetzte sie mit einem Lächeln. »Was hier für ein Schmutz herrscht, davon können Sie sich gar keinen Begriff machen! Seit einer Stunde fegen wir aus!«
Sie wandte sich nach Simonson um: »Na, ist das Plaid trocken?«
»Fast trocken!« versetzte Simonson, indem er einen Blick auf die Maslow warf, der Nechludoff auffiel.
»Ich werde ihn sofort holen und Ihnen noch andere Gegenstände zum Trocknen bringen,« sagte die Maslow und meinte dann, sich zu Nechludoff wendend und ihm das erste Zimmer zeigend:
»Sie sind alle da drin!«
Nechludoff öffnete die Thür dieses Zimmers und ging hinein.
----
Es war ein rechteckiges Zimmer, das von einer Metalllampe erleuchtet wurde. Es war darin im Vergleich zu den andern Sälen kalt, doch man atmete nicht einen so ,unerträglichen Geruch von Staub, Tabak und Feuchtigkeit. Die Lampe warf ein grelles Licht auf die Mitte des Zimmers und ließ
Weitere Kostenlose Bücher