Auferstehung 4. Band (German Edition)
die an den Wänden stehenden Betten im Dunkel; man konnte kaum die Gesichter der Verurteilten erblicken, die auf den Betten saßen.
In diesem Zimmer waren alle politischen Gefangenen des Zuges versammelt, mit Ausnahme von Simonson und zwei andern Männern, die für die Lebensmittel sorgten und das Essen einzuholen gegangen waren.
Hier befand sich auch Wera Efremowna Bogoduschoffska, die mit ihren großen, erschrockenen Augen und ihrer angeschwollenen Ader auf der Stirn noch magerer und gelber als im Gefängnis aussah. Sie trug eine graue Jacke, saß vor einer ausgebreiteten Zeitung und war damit beschäftigt, Tabak in Cigarettenhülsen zu stecken.
Es befand sich da noch eine andere Gefangene, die Nechludoff kannte, und die er sehr lieb hatte, eine gewisse Emilja Rantzeff. Sie hatte es übernommen, die Stuben in Ordnung zu halten, und verstand es ausgezeichnet, denselben selbst unter den schwierigsten Verhältnissen einen ganz eigentümlichen Zauber von Behaglichkeit und Intimität zu verleihen. Mit aufgestreiften Aermeln saß sie bei der Lampe und war damit beschäftigt, mit ihren schönen, feinen und leichten Händen Tassen und Näpfe abzutrocknen. Sie war noch jung, aber nicht hübsch, und trotzdem besaß ihr kluges und gütiges Gesicht die Eigentümlichkeit, sich vollständig zu verwandeln, wenn sie lächelte, und dann einen fröhlichen, kräftigen, ja sogar wahrhaft schönen Ausdruck anzunehmen. Mit einem solchen liebenswürdigen Lächeln empfing sie auch Nechludoff.
»Wir glaubten, Sie wären wieder nach Rußland zurückgereist,« sagte sie.
In einem Winkel erblickte Nechludoff Maria Pawlowna, die ein blondes kleines Mädchen auf den Knieen hielt, das fortwährend mit seiner sanften Kinderstimme etwas vor sich hinmurmelte.
»Wie schön, daß Sie gekommen sind! Haben Sie Katja gesehen?« fragte das junge Mädchen Nechludoff. »Unsere kleine Familie hat sich um ein neues Mitglied vermehrt,« fügte sie hinzu, indem sie auf das kleine Mädchen zeigte.
Anatole Krülzoff war auch da. Blaß und mager saß er, die Beine unter sich kreuzend, die Hände in den Aermeln seines Pelzes verborgen, auf seinem Lager, Mit seinen großen hohlen Augen, aus denen die Schwindsucht blickte, betrachtete er Nechludoff. Dieser wollte auf ihn zugehen, als er auf seinem Wege auf einen dicken, rothaarigen jungen Mann stieß, der in seiner Reisetasche wühlte und dabei mit einer hübschen jungen Frau plauderte, die ihm zulächelte und dabei alle ihre Zähne zeigte. Nechludoff schüttelte diesem jungen Manne zuerst die Hand, nicht weil er für ihn eine besondere Zuneigung hatte, sondern im Gegenteil, weil er der einzige von den politischen Gefangenen des Zuges war, der ihm in tiefster Seele und unbesieglich antipathisch war; er hielt daher die Notwendigkeit, ihn begrüßen zu müssen, für eine peinliche Pflicht, der er sich stets schnell entledigte. Der junge Mann, der Nowodworoff hieß, richtete seine kleinen Augen, die unter den Gläsern seines Lorgnons glänzten, auf ihn und reichte ihm seine lange, schmale Hand.
»Nun, sind Sie noch immer mit Ihrer Reise zufrieden?« fragte er mit einem sichtlichen Anklang von Ironie.
»Allerdings, das interessiert mich sehr,« versetzte Nechludoff und that, als habe er die verletzende Absicht nicht gemerkt, die in Nowodworoffs Frage lag. Deshalb beeilte er sich, zu Krülzoff zu gehen.
Er trug eine gleichgültige Miene zur Schau, doch thatsächlich hatten Nowodworoffs Worte und sein augenscheinliches Bemühen, ihm etwas Unangenehmes zu sagen, die optimistische Stimmung zerstört, in der er sich seit einigen Tagen befand. Er empfand jetzt ein Gefühl von Verlegenheit, in das sich eine gewisse Traurigkeit mischte, und es fehlte wenig, so hätte er bedauert, überhaupt gekommen zu sein.
»Und wie steht's mit der Gesundheit?« fragte er Krülzoff, indem er seine eisige und im Fieber zitternde Hand drückte.
»Danke; ich fühle mich ziemlich wohl. Aber ich bin ganz durchnäßt, und es ist nicht möglich, warm zu werden,« sagte Krülzoff, indem er seine Hand schnell im Aermel seines Pelzes verbarg. – »Ganz abgesehen davon, daß hier in diesem Zimmer eine Hundekälte herrscht! Zwei Fenster sind zerbrochen; man hätte sich wohl die Mühe nehmen können, sie einzusetzen!«
Damit zeigte er Nechludoff zwei Fensterscheiben, die in dem Gitterfenster fehlten.
»Na, und Sie,« fuhr er fort, »warum sind Sie in den letzten Tagen nicht gekommen?«
»Man hat mich nicht hereingelassen. Erst heut' hat
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