Aufgebügelt: Roman (German Edition)
Kinder und Rudi. Da ist ein bisschen viel los, vor allem wenn wir es uns gemütlich machen wollen!«, sage ich und versuche, ein wenig kokett zu gucken.
Gemütlich machen klingt so harmlos, ist aber ja eigentlich ein Synonym für »es miteinander treiben«.
Er bezahlt und gibt ein ordentliches Trinkgeld. Sehr gut. Denn kein Trinkgeld zu geben, wäre sein sofortiges Aus gewesen. Das kann ich einfach nicht ab. Da hätte ich ihn ziehen lassen. Nicht dass ich die große Auswahl hätte, leider stehen die Interessenten nicht Schlange, aber in dem Fall wäre mir das dann auch egal. Knauserigkeit ist für mich absolut unsexy – da bin ich speziell. Jeder hat ja so einen Punkt, an dem er besonders empfindlich ist. Bei mir ist es das Trinkgeld.
»Sollen wir mit deinem Auto fahren?«, fragt er, als wir das Lokal verlassen. Ich überlege schnell, wann ich meinen Wagen das letzte Mal durchgesaugt habe, und obwohl ich mich nicht erinnern kann, stimme ich trotzdem zu. Bisher habe ich mich wirklich einwandfrei betragen, insofern wird dieser kleine Makel ja wohl nicht direkt zu meinem Ausschluss führen.
Während der Fahrt wirkt er nervös. Unruhig. Ob er genauso aufgeregt ist wie ich? Wird es auch im Bett mit uns passen? Er wohnt in einem netten, lauschigen Stadtteil und verliert kein Wort über die Krümel auf dem Beifahrersitz. Puh! Ich bin total hibbelig. Gleich ist es so weit! Hoffentlich kann er einigermaßen küssen.
Wie jemand küsst, ist ja auch ein Gradmesser für den Rest. Deshalb ist es im Idealfall sicher besser, schon mal zu küssen, bevor man die Wohnung betritt. Denn dann hätte man die Chance, immer noch einigermaßen elegant die Kurve zu kratzen, bevor es richtig unangenehm wird. In seine Wohnung mitzukommen, ist ja quasi die Einwilligung zum Sex. Natürlich kann man immer und jederzeit auch wieder gehen, es gibt ja keinen Freibrief – rein theoretisch.
»Wir wohnen im Erdgeschoss und haben auch einen hübschen kleinen Garten«, erzählt Bastian, während er die Haustür aufschließt. Wir! Was heißt denn hier wir?
Redet er jetzt vor lauter Begeisterung von sich selbst im Plural, oder steckt hinter dem Wir etwas anderes? Hat er Kinder? Womöglich doch eine Frau? Frau und Kinder? Einen Hund? Bevor ich nachfragen kann, schließt er die Wohnungstür auf und zieht mich in den Flur.
»Komm mit, die werden sich sehr freuen!«, redet er auf mich ein. Hund und Katze? Oder soll ich jetzt direkt am ersten Abend, vor dem ersten Kuss schon die Kinder kennenlernen? Die Kinder, von deren Existenz ich gar nichts wusste? Die er mir bisher verschwiegen hat? Sind vielleicht gerade Ferien, und sie sind bei ihm zu Besuch?
»Du, es ist mir ein bisschen peinlich, aber … Also, deshalb wollte ich ja zu dir, weil … Ach, scheiß drauf, ich sag’s jetzt einfach: Ich wohne zu Hause. Meine Eltern sind einfach nicht gern allein, und weil ich ja solo bin, also da dachte ich mir, kann ich ihnen ja den Gefallen tun.«
Er wohnt noch zu Hause! Kein Wunder, dass er mit zu mir kommen wollte.
Er öffnet eine weitere Tür, und wir stehen in einem Wohnzimmer. In einem sehr altmodischen Wohnzimmer. Das Erste, was mir ins Auge sticht, ist eine gigantische Schrankwand und Andrea Kiewel. Andrea Kiewel im Fernsehen. Sie sieht hübsch aus, wie eigentlich immer. Andrea Kiewel im Gespräch mit Markus Lanz.
Auf der Couch ihnen gegenüber sitzen zwei ältere Herrschaften, die sich über unser Kommen gar nicht mehr einkriegen. »Ja, Basti, Bub, das ist ja schön! Das muss die Andrea sein, gell!«, begrüßt mich eine grauhaarige Frau im fliederfarbenen Frottee-Hausanzug.
Das sind wirklich seine Eltern, dämmert es mir. Der wohnt tatsächlich bei seinen Eltern. Das war kein Witz. Das gibt’s doch nur im Film! Ist hier irgendwo eine versteckte Kamera? Ist das irgendein RTL-2-Format, bei dem jetzt eine Großaufnahme meines entsetzten Gesichts zu sehen ist? Dieser Mann ist Ende dreißig und wohnt zu Hause! Beide, Mutter und Vater, springen von der Couch auf, Andrea Kiewel hebt im selben Moment an, Markus Lanz zu erklären, warum es ihr beim ZDF so gut gefällt, und ich befinde mich in einer kompletten Schockstarre. Wäre das alles nicht so unglaublich peinlich, könnte man es geradezu lustig finden und darüber lachen.
»Vati, hol der jungen Frau doch mal was zu trinken!«, freut sich Bastians Mutter und streckt mir ihre Hand entgegen. »Ich bin die Mutti vom Bastian und der hier«, sie zeigt auf den großen hageren, grauhaarigen Mann, bei dem
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