Aufgebügelt: Roman (German Edition)
habe keine Ahnung, wo dieser Spruch herkommt, er scheint ja auch nicht wirklich Sinn zu machen, aber ich verstehe sofort, was sie damit meint.
Kondome in der Handtasche sind allerdings noch offensichtlicher als rote Unterwäsche. Kondome in der Handtasche zu haben heißt: Ich weiß, was ansteht, und ich bin vorbereitet. Ich kenne mich aus. Kondome in der Handtasche bedeuten: Allzeit bereit! Nimm mich!
Sabine beruhigt mich: »Die sieht doch keiner, bei Dates gibt’s ja keine Taschenkontrolle, und wenn du sie tatsächlich brauchst, was ich für dich hoffe, dann ist der schon so auf 180, dass er sich um deinen Ruf mit Sicherheit keine Gedanken mehr macht.« Das klingt einleuchtend.
Also gut, ich kaufe Kondome, beschließe ich.
Das sagt sich so leicht, aber wenn man wie ich einen Hauch verklemmt ist, will man nicht, dass die gesamte Nachbarschaft mitbekommt, was man da einkauft. Deshalb gehe ich auch nicht in die Apotheke um die Ecke, sondern in einen Drogeriemarkt. Vor dem Kondomregal bin ich verwirrt. Nimmt man jetzt XL in der Hoffnung, in jeder Hinsicht etwas Großes geboten zu bekommen (Ich weiß natürlich, dass das angeblich keine Rolle spielt. Aber alle Frauen, die schon mal Sex hatten, müssen zugeben, dass man das zwar behauptet, es aber definitiv gelogen ist), oder verschreckt das die Männer, die eher durchschnittlich gebaut sind? Was, wenn er einen winzig kleinen hat und der sich in einem XL-Kondom quasi verirrt? Ich entscheide mich für Normal. Ohne Farbe und irgendeinen Schnickschnack wie Erdbeergeschmack oder Leuchtkraft. Dann belade ich meinen Einkaufswagen mit Conditioner, Shampoo, Wimperntusche, Tempotaschentüchern und Klopapier. In der Masse an Kram werden die Kondome nicht weiter auffallen. Während ich an der Kasse anstehe (es ist Samstag und dementsprechend voll), schaue ich mich immer wieder um, voller Panik, irgendjemanden zu treffen, den ich kenne. Natürlich muss ich genau jetzt an den alten Fernsehspot zur Aidsaufklärung denken, bei dem Hella von Sinnen an der Kasse sitzt und durch den ganzen Laden brüllt, um zu fragen, was die Kondome kosten. Ich werde behaupten, dass sie für Mark sind. Meinen Sohn. Zum Üben. Damit er vorbereitet ist, wenn es dann soweit ist. Für ein Experiment in der Schule. Oder ich tue so, als würde ich sie meiner Tochter mitbringen. Ganz die aufgeklärte und souveräne Mutti. Ich muss fast selbst lachen. Ich stelle mich so an, als wollte ich ein Maschinengewehr kaufen. Oder Heroin. Während die Kassiererin meine Waren einscannt und übers Band zieht, plaudere ich munter auf sie ein, um sie abzulenken. Sie ist völlig ungerührt. Eigentlich klar, denn warum sollte sich eine wildfremde Frau für das interessieren, was ich so einkaufe? Das nächste Mal bestelle ich die Dinger im Internet. Wenn es denn ein nächstes Mal gibt. Das tue ich mir nicht noch mal an, denke ich nur, als ich leicht schwitzig den Laden verlasse und vor der Tür auf Anita treffe. Anita, meine Nachbarin. Das war knapp! Hätte die gesehen, was ich eingekauft habe, hätte ich es auch gleich im Viertel plakatieren können.
Zu Hause verbringe ich dann den ganzen Nachmittag mit Körperpflege. Duschen, cremen, zupfen. Vor allem zupfen. Ich könnte einen hauptberuflichen Zupfer beschäftigen. Es ist unglaublich, wo mein Körper überall Haare wachsen lässt: am Kinn und in den Mundwinkeln. Am einfachsten wäre mit Sicherheit eine schnelle Gesichtsrasur, aber man möchte sich ja nicht stoppelig anfühlen. Ich erwische zwei lange, borstige, schwarze Haare am Kinn. Theoretisch darf man ab einem gewissen Alter – sagen wir mal jenseits der 40 – das Haus überhaupt nicht mehr ohne Pinzette verlassen. Morgens vor dem Vergrößerungsspiegel ist noch alles gut, und nur eine Stunde später, wenn man gerade im Auto sitzt, kann man im Rückspiegel schon dem Kinnhaar beim Wachsen zusehen.
»Sei froh, dass du nur Kinnhaare hast! Mir wachsen zwei lange schwarze auf der rechten Brust! Ich zupfe, sie wachsen nach, ich zupfe, sie wachsen nach, es ist wie bei ›Und ewig grüßt das Murmeltier‹«, hat mir Tamara, die Nachbarin von gegenüber, verraten.
Ein Körper jenseits der 40 bietet eine Menge Betätigungsfelder. Wer wirklich tipptopp aussehen will, dem bleibt nicht viel freie Zeit. Ist man untenrum fertig, kann man oben fast schon wieder loslegen. Man kann sich seinen eigenen Körper mühelos zum größten Hobby machen. Aber offen gesagt, kann ich mir Spannenderes vorstellen. Ständig an sich
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