Aufgebügelt: Roman (German Edition)
rumzuzuppeln, um dann doch zu sehen, wie alles langfristig nicht besser wird, ist ermüdend und frustrierend. Für Herrn Reimer, also Bastian, lege ich mich richtig ins Zeug. Alles, was an Generalüberholung ohne Skalpell und Botox möglich ist, wird von mir oder professionellen Fachkräften erledigt. Fußpflege, Maniküre und sogar frische Strähnchen lasse ich mir am Vortag unseres Dates machen. Ganz ehrlich – mehr geht bei mir nicht. Ich fühle mich bereit. Wofür auch immer!
Bastian wollte mich, ganz Gentleman, abholen. Ich habe aber behauptet, ich sei sowieso unterwegs und es wäre besser, wir würden uns gleich im Lokal treffen. Je nachdem wie es läuft, habe ich dann nämlich mein Auto dabei, und das ist wiederum die beste Prophylaxe dafür, dass ich mich nicht vor lauter Aufregung komplett betrinke. Wenn ich mich nicht betrinke, bin ich vielleicht auch nicht so hemmungslos, was bedeuten würde, dass sowohl Unterwäsche als auch Tascheninhalt mein Geheimnis bleiben und ich es schaffe, die Drei-Dates-Regel einzuhalten. Warum auch immer diese Regel erschaffen wurde, womöglich ist ja doch was dran. Und vielleicht schaffe ich es.
Die Auseinandersetzung mit der Frage »Sex – ja oder nein?« bleibt dennoch meine mentale Hauptbeschäftigung. Wenn er mir so gut gefällt, wie ich es in Erinnerung habe, und wenn es zwischen uns knistert, würde ich dann mit ihm ins Bett gehen?
»Meine Güte«, hat sich Sabine aufgeregt, »mach es halt! Schon aus Prinzip. Du tust ja gerade so, als würdest du über eine Transplantation nachdenken. Du willst ihn doch nicht heiraten, entscheide spontan. Ist er sexy und du bist scharf auf ihn, dann ran, wenn nicht, lass es sein. Andererseits wäre es gut, du würdest so oder so mal wieder Sex haben, schon um dem Ganzen ein bisschen was von seiner Bedeutung zu nehmen. Es geht um Sex, Andrea. Eine Form von amüsanter Gymnastik. Menschen machen das schon ewig. Du bist nicht die Erste, und es ist nicht das erste Mal für dich, also reiß dich mal zusammen.«
Ich muss schlucken, gebe ihr aber insgeheim natürlich recht. Trotzdem kann ich nicht aufhören, darüber nachzudenken. Was, wenn er zwar sexy ist, es aber nicht knistert? Geht man mit jemandem einfach nur so in die Kiste, nur um es mal wieder zu tun? Aus Spaß, ohne einen Hauch von Verliebtheit? Nur aus Begierde? Wieso eigentlich nicht? Angeblich können Frauen das schlechter als Männer. »Frauen brauchen eine emotionale Komponente, die müssen verliebt sein. Männer können das perfekt trennen, für die ist Sex auch ohne Emotion gut!«, hat mir mal ein alter Freund erklärt.
Ich bin unsicher, ob das wirklich zutrifft. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass das eine Theorie ist, die vor allem Männern unglaublich gut gefällt. Eine Vorstellung, die ihrem Ego schmeichelt. Wenn eine Frau mit ihnen Sex hat, dann ist da ganz klar immer mehr im Spiel. Männer wollen nicht einfach nur für körperliche Befriedigung benutzt werden. Durchaus verständlich. Das geht mir tendenziell ähnlich. Ich habe mal in einem Artikel gelesen, dass selbst Puffgänger sich sehr häufig einbilden, die Prostituierten wären ein ganz klein bisschen in sie verliebt und wären gerne mit ihnen zusammen, und das Geld würde da gar keine Rolle spielen. Das zeigt deutlich, dass Männer auch nicht immer sehr realistisch sind. Ich denke, dass es heute auch für Frauen möglich ist, Sex als das zu sehen, was es eben auch sein kann: Sex. Ohne Drumherum. Ohne Liebe. Ohne Romantik. Einfach purer Sex. Noch bin ich vielleicht nicht so weit, aber ich würde es eventuell doch mal auf einen Versuch ankommen lassen. Kann sein, dass ich voll daneben liege und vielleicht wirklich der Typ Frau bin, der sich schon bei einem ersten wilden Zungenkuss unsterblich verliebt – aber das wird sich zeigen.
In der Theorie bin ich auf jeden Fall bereit. Und die Theorie wird heute in die Praxis umgesetzt werden, rede ich mir selbst gut zu. Wenn ich ihn heiß finde, werde ich ihn mir schnappen. Wahrscheinlich hat Sabine recht. Manchmal muss man einfach etwas tun, allein schon, um den Dingen ihren Schrecken zu nehmen.
Was habe ich schon zu verlieren? Moralisch bin ich auf der einigermaßen sicheren Seite: Ich bin offiziell getrennt, nicht anderweitig liiert, Bastian ist unverheiratet, hat meines Wissens nach keine Freundin, und ich bin keine fünfzehn mehr.
Ich verlasse das Haus sauber rausgeputzt mit nicht ganz sauberen Absichten. Ich werde es heute tun, wenn mir irgendwie der Sinn danach
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