Aufgebügelt: Roman (German Edition)
irgendwie auf seine Fähigkeiten im Bett beziehen! Man munkelt da so einiges!«, hat mir Gesa verraten.
»Er ist einer der Top-Makler aus dem Rhein-Main-Gebiet, hat einen fetten Porsche, der aber auch geleast sein könnte, und ich meine, du hast ihn ja gesehen, er sieht Hammer aus«, fügt Silke noch hinzu.
Er sah gut aus, das stimmt. Für eine genauere Beschreibung würde meine Erinnerung allerdings nicht mehr ausreichen. Größer als ich, Lederjacke, Jeans und Dreitagebart – wofür mein Kinn der beste Beweis ist. Ich sehe aus, als wäre ich mit dem Kinn einmal quer über den Asphalt geschubbert. Alles rot und wund. Hatte ich früher, in meinen Anfangsknutschjahren, auch manchmal. Mein Kinn scheint das Küssen nicht mehr gewohnt zu sein. Als mich meine Tochter gefragt hat, was da passiert sei, habe ich behauptet, ich hätte eine neue Enthaarungscreme draufgeschmiert und wäre anscheinend allergisch. Sie hat es sofort geglaubt, wahrscheinlich weil sie sich nicht mal in ihren kühnsten Träumen vorstellen kann, dass ihre Mutter rumknutscht. Mütter haben etwas Asexuelles. Und allein die Vorstellung, dass man als Frau am Kinn Haare bekommen kann, hat sie schon genug irritiert und auch leicht geekelt. Ich habe nur gedacht: Wart ab, du hast meine Gene …
Ich habe meine teuerste Gesichtscreme zentimeterdick aufs Kinn geklatscht und wegen der SMS drei Freundinnen um Rat gefragt. Sabine, die direkteste und offensivste von allen, plädierte für folgende Variante: »I want more. Küssen war gut – der Rest wird sich zeigen, aber wann?« Aber das ist mir, bei aller Offenheit, doch zu platt. Da könnte ich ja auch schreiben: Fick mich, aber bitte zeitnah.
Heike, meine Lesbenfreundin, schlägt vor: »Lieber Tom, würde gerne meine Erinnerung auffrischen! Wenn es dir genauso geht, melde dich!« Ich finde, das hört sich ein bisschen so an, als wäre ich hackedicht gewesen. Erinnerung auffrischen? Ich war hackedicht, keine Frage, aber man muss es ja nicht selbst noch mal erwähnen.
Tamara, meine Nachbarin, der ich allerdings nicht ganz die Wahrheit gesagt habe, sondern so getan habe, als ginge es um einen kleinen Werbespot für die Agentur, hat kurz nachgedacht und mir dann ihr Ergebnis präsentiert: »Gerade deine Karte gefunden, Appetit bekommen, wir sollten uns wiedersehen – oder …?!« Das hat mich in der Kürze und Prägnanz überzeugt. Vor allem mangels Alternativen. Es ist einen Hauch schlüpfrig und trotzdem ein wenig dezenter als die Sabine-Variante. Außerdem steckt in dem »wir sollten uns wiedersehen« eher eine Feststellung. Bei Heike klang es zu sehr nach »Bitte melde dich!« Als Bittstellerin will ich ja nicht auftreten – das wäre ja so, als hätte ich es nötig. Habe ich auch, aber das muss er ja nicht wissen.
In einem waren sich allerdings alle drei einig: Auf keinen Fall sofort schreiben. Mindestens zwei, besser drei Tage verstreichen lassen. Sonst sieht es so aus, als wäre es dringend und man hätte nur diese eine Option. Genau so habe ich es dann auch gemacht. Zwei Tage gewartet und dann am dritten Tag den Tamara-Text abgeschickt. Seitdem warte ich wieder – und das nun schon vier Tage lang!
Würde mir jemand einen solchen Text simsen, würde ich umgehend antworten. Rakete – also Tom scheint anders zu ticken. Oder vielleicht fragt er, genau wie ich, seine Freunde, und die beraten seit Tagen über die richtige Antwort. Eher unwahrscheinlich. Er ist ein Mann. Ich glaube, Männer machen so was nicht. Oder er hält sich auch an irgendeine ominöse SMS-Verschickfrist.
Egal wie, es ist nervig. Ich fühle mich klein. Habe ich mich vielleicht doch zu weit aus dem Fenster gelehnt? Ich war gestern schon kurz davor, abends in den Club zu fahren und Herrn Rakete persönlich zu fragen, ob er sein Verhalten höflich findet.
»Ums Höflichsein geht’s dabei nicht, der lässt dich zappeln!«, behauptet Sabine. »Das musst du aushalten. Einfach Ruhe bewahren! So ist das Spiel! Auf keinen Fall nachhaken!«
Und sie scheint recht zu haben. Jetzt sitze ich hier und zapple. Was natürlich lächerlich ist. Ich weiß doch gar nicht mehr, für wen genau ich da zapple. Es geht eigentlich auch nicht um den Mann, den ich ja nicht mal kenne, sondern ums Prinzip. Um Selbstachtung und Bestätigung. Ein bisschen Egobalsam. Was für ein beschissenes Spiel!
»War doch net bös gemeint!«, sagt da der Laubenfrieder. »Der Bub kann selbstverständlich so viel essen, wie er will.«
Ich lasse unauffällig mein Handy
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