Aufgebügelt: Roman (German Edition)
das ja auch in einem Club tun. Außerdem: Nach meinem Bastian-Date-Fiasko sollte ich vielleicht mal was Neues probieren. Einen anderen Ansatz. Bin gespannt, ob sie mich überhaupt reinlassen in meinem Alter. Dass man über 18 sein muss, um reinzukommen, weiß ich, aber ob es auch nach oben ein Limit gibt? Über 40 – nein danke? Muss ich mir eventuell den öden Jugend-Witzklassiker, »Kommen die schon zum Sterben hierher«, anhören? Silke und Gesa sind fast zehn Jahre jünger als ich. Das macht in unserem Alter einiges aus. Mit Ende dreißig ist man im besten Erwachsenenalter. Noch frisch, vermittelbar und fruchtbar. Dann kippt alles. Mit Ende vierzig ist man der Pensionierung näher als dem Abitur, man ist knitteriger als ein chinesischer Faltenhund und fühlt sich schon mal häufiger reichlich welk. Innen wie außen.
Das Schlimmste wäre, jemanden aus Claudias Klasse zu treffen, allerdings weniger für mich als für Claudia. Ich kann mir ihr Gott-wie-peinlich-Gesicht lebhaft vorstellen. Allein das wäre den Ausflug eigentlich wert!
Ich werde zwei, drei Stündchen bleiben, um zu beweisen, dass ich durchaus Unterhaltungsbereitschaft habe, und dann schön nach Hause fahren, beschließe ich.
Es kommt und endet anders. Ich bleibe sieben Stunden und erinnere mich nur noch dunkel daran, dass ich irgendwann nachts, so gegen halb vier, ein ganz klein wenig geknutscht habe. Mit einem Typen namens Rakete. So jedenfalls nennen ihn Silke und Gesa. Sogar mit einer gewissen Ehrfurcht in der Stimme. Wie ich vor dem Club in einer Hofeinfahrt und meine Zunge im Rachen von Rakete gelandet sind, weiß ich nicht mehr. Das ist peinlich, so viel immerhin ist sicher. Aber Silke und Gesa haben mir ständig neue Drinks in die Hand gedrückt, und natürlich hätte ich nein sagen können … »Hätte sagen können« – das sagt schon alles. Der Konjunktiv und ich sind dicke Kumpels. In vielen Lebenslagen. Ich hätte das Brot nicht essen müssen, ich hätte mehr Sport machen können – ich hätte, ich sollte, ich könnte …
Irgendwann, im Laufe des Abends, hatten sie mir, so hat es mir jedenfalls Gesa am übernächsten Tag in der Agentur erzählt, Rakete vorgestellt. Rakete ist Makler, irre erfolgreich mit Immobilien und mit Frauen und sehr begehrt – hat jedenfalls Gesa behauptet.
»Der war irgendwie, warum auch immer, an dir interessiert!«, hat Silke gegrinst. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Satz wirklich nett gemeint ist. Der Warum-auch-immer-Teil stört mich. »Sonst hat der völlig andere Frauen! Vielleicht zieht es ihn neuerdings eher zu den mütterlichen Typen!«, hat sie noch hinzugefügt.
Ich weiß, dass ich Mitte vierzig bin, na ja, eher Ende – aber ein mütterlicher Typ? Ist man nur, weil man Kinder hat, ein mütterlicher Typ? Macht einen das Muttersein automatisch dazu? Ist das womöglich eine Beleidigung? Nach sexy klingt es jedenfalls nicht. Nach aufregend auch nicht. Nach begehrenswert auch nicht, außer für Männer mit einem ausgeprägten Mutterkomplex. Mütterlicher Typ hört sich nach gemütlich, liebevoll, umsorgend, einfach nach Kümmern an! Nach Gulasch und Eintopf und nicht nach Sushi und Sashimi. Ob das eine Qualität ist, die Unter-80-Jährige ohne Rollator überhaupt zu schätzen wissen? Die im nächtlichen Clubleben von Vorteil ist? Bei der Männerakquise an sich?
Liegt es an meiner Aufmachung? Oder rieche ich schon nach Mutti? Dünstet man das aus? Wie riechen Muttis? Nach Rostbratwurst und Kartoffelbrei, nach frischer Wäsche, nach Putzmittel, nach Babysabber und Möhrchen oder schlicht nach Langeweile? Wie riecht denn Langeweile? Nach Staub und altem Muff? Moderig und abgestanden? Hinterlässt jahrelanges Zieh-dir-eine-Mütze-auf, Mach-die-Hausaufgaben, Geh-noch-mal-aufs-Klo, Putz-dir-die-Zähne, Bedank-dich seine Spuren? Ich hab wirklich keine Ahnung.
Ich war okay angezogen – vielleicht nicht 100 Prozent trendy – aber auch nicht muttimäßig – immerhin hatte ich meine hohen Peeptoes an und dazu eine Designerjeans. Gerochen habe ich gut. Da bin ich mir absolut sicher.
Und mal ehrlich: Ich ahne, warum Rakete sich ausgerechnet mit mir abgegeben hat. Ein uncharmanter Ausdruck übrigens: Sich mit jemandem abgeben. Da schwingt was Überhebliches mit. Eine Art zwischenmenschliches Gefälle. Ich weiß nämlich noch, dass wir kurz über Fußball gesprochen haben – scheint zu meinem neuen Lieblingsthema zu avancieren. Ich habe ein bisschen damit angegeben, dass wir einen Kunden in der
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