Aufgebügelt: Roman (German Edition)
erklären.
»Mit der Princess Alexandra von Kent wollten die Reimers beim diesjährigen Zierrosenwettbewerb mitmachen, und sie haben sich gute Chancen ausgerechnet. Jetzt wo der Laubenvorstand Frieder die Bescherung gesehen hat, denken die bestimmt, dass er bei der Bewertung – er ist der Juryvorsitzende – immer diese kleinen Kotzbröckchen vor Augen hat!« Er lacht. »Erster Preis: die Kotzprinzessin!« Er lacht noch mehr. Auch mein Sohn lacht.
»Lach ruhig«, fahre ich ihn an, »bald hast du nämlich garantiert nichts mehr zu lachen. Du spinnst ja wohl total. Du hättest dich wenigstens entschuldigen können! Und was ist das mit dem Kiffen? Was hat das zu bedeuten? Machst du das? Bist du schon abhängig? Ist mein Sohn also drogensüchtig?«
Ich steigere mich richtig rein, und meine Stimme überschlägt sich fast.
Meine Tochter, die mit ihrem Gustav Einstecktuch in gebührendem Abstand hinter uns herläuft, wirkt wie ein angeschossenes Reh und brabbelt vor sich hin. Immerhin laut genug, damit wir es verstehen können.
»Das war auf alle Fälle das letzte Mal, dass ich mit euch irgendwohin gehe oder fahre. Überhaupt in der Öffentlichkeit auftauche. Es gibt keine peinlichere Familie als meine!«
Mir würden auf Anhieb jede Menge sehr viel peinlichere Familien einfallen. Die Wollnys zum Beispiel, die Ozbournes oder die Geissens. Apropos Familie: Sollte Christoph nicht erfahren, was sich sein Sohn da geleistet hat?
Ich schnappe mir mein Handy, um ihn anzurufen, und sehe die SMS. Die langersehnte, heißbegehrte SMS. Rakete hat geschrieben. Kaum packt man das Handy weg und hört auf, draufzustarren wie ein paralysiertes Nagetier, kommt eine SMS.
Schöne, reife Frau, wie spontan bist du? Sehr kryptisch. Bis auf das reife Frau – das ist deutlich. Ein bisschen zu deutlich für meinen Geschmack. Schön ist natürlich schön, aber reif hätte sich Herr Rakete doch verkneifen können. Es ist, als würde man direkt in seine Schranken verwiesen. Schön, aber …
Ein Aber sollte man sich generell, wenn irgendwie möglich, verkneifen. Sie ist nett, aber … Er sieht gut aus, aber … Scheiß Aber. Was mich noch stört, ist, dass er das Du in der SMS klein geschrieben hat. Ich weiß, dass das kein Fehler ist, aber – und bestimmt bin ich da altmodisch – ich empfinde ein kleingeschriebenes Du als sehr flapsig und wenig respektvoll. Das Du als persönliche Anrede würde ich immer großschreiben. Kleinlich, ich weiß.
Egal wie, ich bin ich jetzt nicht in der Stimmung, um auf diese SMS zu antworten. Außerdem hat sich Rakete ja selbst auch ordentlich Zeit mit seiner Antwort gelassen. Allerdings kann man ja schlecht bei der Frage nach Spontaneität fünf Tage verstreichen lassen, bevor man antwortet. Das wäre ja dann quasi schon die Antwort. Aber eine Stunde hat das allemal Zeit, denke ich und versuche, meinen Ex zu erreichen. Was für ein Tag. Meine Güte. Wie eigentlich fast immer meldet sich nur die Mailbox. Christoph hat sein Handy so gut wie nie an. Das regt mich schon seit Jahren auf. Der Mann hat Kinder, es könnte etwas passiert sein, und er hat das Handy aus! Immer. Mittlerweile haben wir das Auto von Paul erreicht. Ich mustere den Volvo Kombi, der seine besten Tage schon hinter sich hat. Paul scheint meinen Blick zu bemerken.
»Ich lege nicht so viel wert auf Autos, und dann habe ich ja oft Gartenabfälle drin, das schmutzt natürlich, und in der Stadt fahre ich eh meistens Fahrrad«, erklärt er mir ungefragt.
Ich hoffe, seine Fußpflegepraxis (sagt man da Praxis?) ist gepflegter als sein Wagen. Er legt für meinen Sohn eine große Plastikplane auf den Sitz – »Sicher ist sicher«, kommentiert er nur trocken – und Gustav Johannes und ich quetschen uns zu meinem Sohn auf die Rückbank. Claudia hat sich standhaft geweigert, neben oder auch nur in der Nähe ihres Bruders zu sitzen. Das ist unverschämt von ihr, aber ich habe keine Lust, mich jetzt auch noch mit Frau von und zu rumzuärgern.
»Darüber reden wir zu Hause!«, raunze ich sie nur an. Paul öffnet das Schiebedach, und ich bin ihm dankbar. Mein Sohn riecht absolut grauenvoll, was unser Chauffeur aber mit keinem Wort erwähnt.
»Das war wirklich außergewöhnlich freundlich von Ihnen!«, bedanke ich mich, als wir vor unserem Haus ankommen.
»Sehr gerne geschehen«, sagt Paul nur, und der Höflichkeit halber biete ich ihm noch einen Kaffee an.
»Ich muss leider arbeiten, bin schon ein bisschen spät dran. Ein andermal gerne! Noch lieber
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