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Aufgebügelt: Roman (German Edition)

Aufgebügelt: Roman (German Edition)

Titel: Aufgebügelt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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allerdings einen Wein. Abends vielleicht mal?«
    Jetzt kann ich ja schlecht nein sagen, immerhin hat dieser Mann uns einen echten Dienst erwiesen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob uns ein Taxi überhaupt mitgenommen hätte.
    »Klar, sehr gerne, aber jetzt muss ich erst mal einiges innerfamiliär klären und dringend jemanden zum Duschen schicken!«, verabschiede ich mich.
    Er winkt noch mal, und weg ist er. Mit einem anderen Beruf, anderen Schuhen und einer angemessenen Oberbekleidung wäre der Mann eine Option. Einer näheren Betrachtung durchaus wert. Aber so? Ein bisschen viele Mankos. Na ja, wenn wir abends tatsächlich mal einen Wein trinken gehen, wird er sich schon was überziehen und hoffentlich auch nicht in Crocs erscheinen.

    »Du gehst duschen und bringst deine dreckigen Klamotten in die Wäsche«, gebe ich meinem Sohn erste Anweisungen. »Und danach reden wir!«
    »Wir fahren zu Gustav nach Hause«, teilt mir meine Tochter freundlicherweise mit.
    »Er fährt nach Hause und du bleibst hier, ich will auch mit dir reden!«, entscheide ich.
    »Ich lasse mir nichts verbieten, das sehe ich gar nicht ein. Ich bin erwachsen! Der Mark hat gekotzt und sich danebenbenommen, nicht ich. Und jetzt werde ich hier abgestraft. Das ist so unfair! Aber so bist du ja immer, das würde der Papa nie machen!«, nölt sie aus dem Stand.
    Nein, das würde der Papa nicht machen – wie auch? Er ist ja nicht da. Alltag ist schön Mama-Sache. Sich rumärgern, diskutieren, Verbote aussprechen – das alles darf ich machen. Er kommt dann gutgelaunt mal am Wochenende vorbei und hat keine Lust, sich die kurze Zeit mit seinen Kindern durch Erziehungsmaßnahmen und unerquickliche Diskussionen zu verderben.
    »Deinen Vater habe ich schon versucht zu erreichen, aber der hat anscheinend Besseres zu tun, als mit mir zu telefonieren.«
    »Die sind in Paris, die Sarah Marie und der Papa. Die feiern ihren Kennenlerntag«, informiert mich Claudia.
    Sag mal, geht’s eigentlich noch? Der fährt mitten in der Woche nach Paris und sagt mir nicht mal Bescheid? Nach Paris! Da waren Christoph und ich auch mal. In unseren Anfängen. Es war irrsinnig romantisch. Hätte es nicht auch eine andere Großstadt für das junge Glück gegeben? Paris – ausgerechnet! Das versetzt mir einen richtig schmerzhaften Stich. Das war unsere Stadt! Ich fühle mich furchtbar. Traurig, enttäuscht und verdammt allein. Was Christoph wohl gerade macht? Verträumt durch einen Park schlendern, in einem Straßencafé rumknutschen? Arm in Arm auf den Champs-Élysées bummeln? Ist er genauso glücklich mit ihr, wie er es mit mir damals war? Muss er überhaupt mal an mich denken, oder kann er das alles ausblenden? Erinnert er sich überhaupt an unsere Tage in Paris?
    »Mama, ich fahr jetzt!«, unterbricht Claudia meine Gedanken. Soll sie halt fahren.
    »Wir reden heute Abend. Sei zum Essen da!«, gebe ich mich geschlagen.
    Ich habe einfach keine Nerven mehr. Ein kiffender Sohn, eine Tochter, die lieber bei ihrem Vater ist, ein Ex, der sich in Paris lauschige Stunden macht – und ich hocke hier und kann Dreckwäsche in die Waschmaschine laden. Mich überkommt eine unglaubliche Sehnsucht.
    Sehnsucht ist schwierig. Vor allem undefinierbare Sehnsucht. Wenn man weiß, wonach man sich sehnt, mag sie noch erträglich sein. Aber sich einfach nur zu sehnen, ist idiotisch und bereitet einem auch noch zusätzliche Probleme. Denn zu der Sehnsucht kommt die Sehnsucht, zu wissen, wonach man sich sehnt, hinzu. Ja, wonach sehne ich mich denn? Wenn ich wirklich ehrlich bin, dann ist es eigentlich ganz einfach: Nach jemandem, der mich in den Arm nimmt und sagt: »Das schaffen wir schon. Ich liebe dich!«
    Was geht da bloß in meinem Kopf vor? Das hat ja was von kitschigem Schlagertext. Sehnsucht ist schwierig … Meine Güte, jetzt geht es aber echt los.
    Ich schmeiße die Waschmaschine an und setze mich ins Wohnzimmer. Wie ich meinen Sohn kenne, wird er sich sehr viel Zeit beim Duschen lassen. Würde ich an seiner Stelle auch. Ich versuche noch mal, Christoph zu erreichen. Wieder die Mailbox. Ich unterdrücke den Impuls, ihm was richtig Gehässiges draufzusprechen.
    »Wenn du das hier hörst, ruf mich bitte umgehend an!«, ist alles, was ich sage. Kein Kommentar zu Paris, keine böse Spitze, weil ich ihn mal wieder nicht erreichen kann, kein Genörgel und keine Panikmache. Sehr erwachsen und souverän. Ich bin stolz auf mich.
    Dann nehme ich mir die SMS von Rakete noch mal vor. Schöne, reife

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