Aufgebügelt: Roman (German Edition)
ist beendet. Na klar ist es für sie, sonst wäre die Nachricht wohl kaum auf ihrem Handy gelandet. Idiotische Antwort. Aber ich weiß, wann nachfragen sich nicht mehr lohnt, und halte den Mund.
»Herzscher, des klärt sich alles, der wird sich schon noch besinne!«, mischt sich nun der Beziehungsexperte Rudi ein.
Claudia schüttelt nur leicht den Kopf. Mark hat in der Zwischenzeit zwei riesige Teller Risotto gemampft. Es scheint, er hat seine Übelkeit überwunden. Er sieht kein bisschen krank aus.
»Ich bin ja ab morgen weg«, wechsele ich jetzt das Thema, weil mir einfällt, dass Claudia es noch gar nicht weiß. »Ich fahre mit Sabine zum Wellness!«
Keine Reaktion. Es interessiert sie nicht die Bohne. Ich hätte auch »zum Walfang« oder »auf Südseeexpedition« sagen können. Völlig wurscht. Kein Wohin-fahrt-ihr-denn-Genau?, kein Wann-kommst-du-Wieder?, kein Was-macht-ihr-Da?, oder gar ein Viel-Spaß-Mama! Nichts. Jugendliche agieren oft grob unhöflich, selbst die eigenen Kinder. Sie haben in ihrer Welt genug um die Ohren und finden das, was Eltern machen, per se zumeist nicht wahnsinnig spannend. Das dürfe man nicht persönlich nehmen, liest man immer wieder in schlauen Büchern, aber ärgerlich ist es trotz allem.
»Und nächste Woche werden wir zum Mond fliegen, Sabine und ich!«, rede ich betont munter weiter. Und tatsächlich – meine Kinder leben noch, und ihr Gehör funktioniert.
»Hä?«, fragt mein Sohn. »Irre witzig«, sagt meine Tochter.
»Papa wird sich um euch kümmern, und Opa ist am Sonntag da«, kläre ich die Logistik.
»Okay!«, sagt Mark nur. Wahrscheinlich freuen sich meine Kinder sogar. Vater und Großvater lassen die beiden eher in Ruhe als ich. Sie drängen keine ungewollten Gespräche auf, jeder darf fröhlich vor sich hin wurschteln, so wie er eben mag.
»Ach ja, Mark, um fünf kommt Papa zum Gespräch. Ich erwarte, dass du dann da bist!«
»Und vorher nix rauchen!«, bemerkt meine Tochter noch.
»Lass das, Claudia. Das ist doch Quatsch!«, ermahne ich sie.
Sie lacht nur trocken, und ihr Bruder langt über den Tisch, um seiner Schwester eine zu verpassen. Leider erwischt er, weil sie sich rechtzeitig zur Seite wegduckt, nicht sie, sondern ihren Teller, der mit den Risottoresten auf den Boden knallt. Prima, ein herrlicher Ausklang.
»Das machst du weg!«, zische ich meinen Sohn an. »Und du hör auf, deinen Bruder zu provozieren«, herrsche ich gleich auch noch meine Tochter an. »Hilf ihm lieber!«, schiebe ich noch hinterher. Ich stehe auf und bin zornig. Was ist jetzt nur wieder schiefgelaufen? Der Anfang des Mittagessens war doch vielversprechend. Eine falsche Frage und sofort ist Schluss mit lustig, Schluss mit vertraut und gemeinsam.
Rudi greift ein: »Ich mach des mit den Kinnern. Geh du ruhisch. Du hast sicher zu tun«, bringt er mich aus der Schusslinie.
Rudi ist ein Familienstabilisator. Er wirft sich oft zwischen die Fronten und versucht, Verständnis für beide Seiten aufzubringen. Rudis Anwesenheit tut uns allen gut. Er hat etwas grundlegend Versöhnliches, und mit seiner liebevollen Art ist er unser Familienbaldrian geworden. Schon deshalb werde ich ihn nicht an Irene abgeben.
Bevor Christoph zum Kiff-Gespräch kommt, habe ich noch genug Zeit, um zu packen und mich meinem Körper zu widmen. Erst packen, dann Pflege, entscheide ich.
Großer Koffer oder Trolley? Das ist die erste Frage, die sich aber schnell klärt, denn der Trolley ist nicht da. Wahrscheinlich gerade in Paris. Wie dreist! Also schicke ich Christoph direkt eine SMS, dass ich den Trolley brauche. Bring den Trolley heute Nachmittag mit! , schreibe ich nur. Zu viel Nettigkeit hat der nicht verdient. Schon nach zehn Minuten bekomme ich eine Antwort: Der Trolley gehört mir! Wir haben das Reiseset damals gemeinsam gekauft: Koffer, Trolley und Reisetasche – alles passend. Jetzt fängt der also so an. Ich könnte ausrasten. Dann nehme ich eben den Koffer. Auch gut.
Aber das mit dem Der-gehört-mir werde ich mir merken. Jetzt geht es schon um solche Dinge. Geld war bisher nie ein großes Thema zwischen uns. Das scheint sich gerade zu ändern. Wie du mir, so ich dir! Und schon hacke ich die nächste SMS in die Tasten: Im Keller stehen mindestens noch sechs Kartons mit Dingen, die auch Dir gehören, die kannst Du heute mitnehmen! Kannst ja Deinen Trolley für den Transport benutzen! Sofort fühle ich mich besser. Die Zeiten, in denen ich mir alles hab bieten lassen, sind vorbei. Bei ihm
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