Aufgebügelt: Roman (German Edition)
Handtaschen im Schrank. Ich mag Taschen. Aber so ein richtig teures Designerteil ist eben noch nicht dabei.
»Was würdest du mir empfehlen?«, frage ich Conny. Tini und Ahmed trinken gerade ihren dritten Tee und sind inzwischen bei 430 Euro angekommen. Ahmed stöhnt immer mal wieder auf, gerade so als würde man ihn ohne Narkose am offenen Herz operieren. Tini gurrt und buhlt.
»Tasche für dich, mhm. Brauchst du eher ’ne große oder ’ne kleine?«, will Conny Details.
»Groß, auf jeden Fall groß. Ich bin keine Frau für winzige Täschchen!«, antworte ich.
»Tja, da gibt’s eigentlich nur eine. Die macht echt was her und ist seit Jahrzehnten der Klassiker schlechthin – die Hermès Birkin!«
Ich glaube, die kenne sogar ich. Das ist dieses Modell, das Victoria Beckham in allen Farbvarianten besitzt. Eine große Tasche mit zwei Henkeln, die man aber nicht umhängen kann und die vorne ein Schloss hat.
»Die hier, meine ich!«, sagt Conny und schnappt sich eine aus dem Regal.
Eine riesige Tasche! Schön ist sie. Schön groß vor allem.
»Da geht ordentlich was rein. Ich hab sie in rehbraun, so Richtung Cognacfarben. Echt chic ist die. Da kannst du gar nichts falsch machen. Die ist seit Jahren in und wird immer in sein. Ist halt ein echtes Statussymbol!«, schwärmt Conny.
Ich bin quasi sofort angefixt. Bin ich die Frau, die sich angeblich aus Statussymbolen nichts macht? Was passiert hier gerade? Ich nehme die Tasche in die Hand und posiere vor dem Spiegel.
»Für diese Taschen gibt es Wartelisten!«, informiert mich Conny. »Man bestellt sie bei Hermès, und dann dauert es bis zu einem Jahr, bis die Tasche da ist! Die sind unglaublich begehrt!«
Das ist selbstverständlich unglaublich lächerlich – einerseits, andererseits weckt es auch in mir dieses Haben-wollen-Gefühl. Ahmed steckt immer noch in zähen Verhandlungen mit Tini.
»Ei, ei ei, du ruinierst mich, schöne Frau!«, aber er bemerkt dennoch mein Interesse. Der Kerl hat seine Augen echt überall. »Hab ich Birkin-Bag in alle Farbe unten im Keller. Willst du gucken?«, fragt er.
Warum eigentlich nicht, gucken kostet ja nichts, entscheide ich.
»Ja, gern«, antworte ich deshalb.
»Kommt Kollege und bringt dich!«, lächelt er.
»Ich komme mit, vielleicht sind auch Bottegas unten«, freut sich Conny.
Ahmed geht kurz vor die Tür seines Ladens, und in Windeseile ist ein weiterer Mann da.
»Mein Cousin, Hakan, spricht nicht Deutsch, aber Englisch!«
Ein Wortschwall bricht über Hakan herein. Ich versteh nur Birkin-Bag. Anscheinend informiert ihn Ahmed darüber, was ich will.
»Und Bottega Veneta! Die große mit Fransen, die Intrecciato in Schokobraun!«, plappert Conny dazwischen.
»Gut, Hakan zeigt alles! Geht ihr mit Hakan!«, sagt Ahmed nur.
»Steffi, du auch?«, fragt Conny freundlich, aber Steffi hat ihr Objekt der Begierde anscheinend schon gefunden. Eine Chloé-Tasche.
»Ne, guckt mal, das ist die Marcie, die ist doch echt supersüß! Ich weiß nur noch nicht, ob ich sie mir in Nude oder Gelb holen soll? Oder vielleicht beide«, schwärmt sie.
»Come!«, ertönt nun Hakans Stimme. Hakan trägt einen Anzug, hat reichlich Schuppen auf den Schultern, jede Menge Goldkettchen und sieht einen Hauch schmierlappig aus. Er ist nicht der Typ Mann, mit dem man einfach so in einem Keller verschwindet, eher der Typ, der im Frankfurter Bahnhofsviertel fiese Geschäfte macht, aber wir sind ja zu zweit, und Steffi und Tini wissen ja auch, wo wir sind. Der kleine Hakan wird uns schon nichts tun. Hier geht es um Taschenverkauf, sonst nichts, beruhige ich mich. Tief drin in mir höre all die Warnungen meiner Mutter: Man geht nie mit fremden Männern mit! Egal, was sie dir versprechen! Einerseits … andererseits weiß man ja: Die Gefährlichsten sind die, die ganz harmlos aussehen. Und harmlos sieht Hakan definitiv nicht aus.
Wir müssen durch diverse Gänge in die tiefsten Katakomben hinunter. Auch Conny wirkt etwas verunsichert.
»Hier finden wir niemals allein wieder raus!«, wispert sie mir zu.
»Wir sind zu zweit!«, versuche ich, aufmunternd zu wirken.
Hakan sperrt eine Kellertür auf, und wir betreten einen großen Raum. Er knipst das Neonlicht an, und wir stehen in einen Raum voller Taschen in allen Formen und Farben.
»You like Birkin?«, fragt er. Ich nicke.
In Windeseile hat er unzählige Taschen vor mir auf einem Sessel drapiert.
»How much?«, frage ich. Bevor ich dieser Tasche endgültig verfalle, will ich doch
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