Aufgedirndlt
Einwohnern und Stammgästen etwas gelten wollte, beteiligte sich irgendwie daran. Der Hanni Hirlwimmer war seit vielen Jahren als Sänger dabei.
»Eine Gaudi wird’s ja immer«, meinte jetzt der Franz, der in diesem Jahr erstmals zum Organisationskomitee gehörte und dadurch einen gewaltigen Verantwortungsdruck verspürte, was sich in Form schlafloser Nächte äußerte. Er räusperte sich nervös: »Also … du wirst ja singen.« Hanni Hirlwimmer lächelte zustimmend. Wenn es ums Singen ging, war er immer fröhlich. »Weißt’ denn schon was?«
Der Schlagersänger zeigte auf das vor ihm liegende Blatt, auf dem unter anderem das Wort »Liebesmüh’« geschrieben stand, und erwiderte: »Das ist gerade im Entstehen. Gut Lied braucht Weile.«
»Dann komm’ ich ja gerade richtig«, meinte der Bernbacher Franz. »Ich hätte da nämlich ein Attentat auf dich vor: Könntest du in diesem Jahr vielleicht etwas Arabisches einbauen? So was von tausendundeiner Nacht oder so? Sonst singst du ja immer«, der Franz zitierte: »›Meine bayerische Prinzessin, ich küsse dich von Fuß bis Knie / aber weiter nauf geht’s nicht, mach’ erst aus das Licht‹ und so … Meine Frage wär’ jetzt: Ob du das ein bisserl abwandeln könntest, also anstatt ›bayerische Prinzessin‹ zum Beispiel ›arabische‹ singen?«
»Das könnt’ ich durchaus«, meinte der Schlagersänger, ohne zu zögern, denn mit ein Grund für seinen sensationellen, auch internationalen Erfolg war, dass er sich direkt von den Menschen und dem, was sie bewegte, inspirieren ließ. »Arabische Prinzessin«, sagte er gerade nachdenklich, als die alte Frau Hirlwimmer zu den beiden Männern an den Tisch trat. »Arabische Prinzessin – darauf reimt sich nix.«
»Was redet’s ihr denn da? Arabische Prinzessin? Ja, was soll jetzt das?«, fragte die Ex-Bäuerin und amtierende Starmutter. Es war offensichtlich, dass sie, wie es unter bayerischen Müttern guter alter Brauch war, gelauscht hatte.
»Ja, was soll das eigentlich?«, riss sich der Schlagerkünstler aus seinen musikalischen Phantasien. Prinzipiell hörte er immer auf seine Mutter, besonders aber in Vertragsangelegenheiten. Als ehemalige Bäuerin war Frau Hirlwimmer eine schlaue Geschäftsfrau. Wer seine Rinder auf dem Viehmarkt zu einem guten Preis losschlagen wollte, musste mit allen Wassern gewaschen sein. Und letztlich war es egal, ob man Rindviecher oder Songs verkaufte.
Der Bernbacher Franz sah sich nun genötigt, die Sachlage zu erläutern. »Ihr habt’s ja sicher auch von dem Scheich gelesen, der wo droben im Hotel wohnt. Das war ja ausführlich in der Presse. Und mir vom Organisationskomitee wollen, dass noch mehr Scheichs ins Tal kommen, weil das unserer Gastronomie und Hotellerie guttut. Die Scheichs haben ja Geld wie Heu!«
»Das schon, aber die Scheichs bringen auch die Unzucht ins Tal!«, fauchte jetzt die alte Hirlwimmerin, sodass ihr Sohn unwillkürlich zusammenzuckte, war seine Mutter sonst doch die Ausgeglichenheit in Person. Ehe einer der Männer reagieren konnte, senkte die Alte die Stimme und raunte: »Ich hab’ gehört, die Madeln müssen nackt vortanzen.« Sie wartete, um zu sehen, welchen Eindruck ihre Worte hinterließen, und schob dann nach: »Und angeblich testet der Scheich auch, ob sie Massage können. Lie-bes-ma-ssage! So ein Bazi! Das ist für mich kein Harem, sondern ein Puff. Wenn der Araber sich von unseren nackerten Madeln massieren lässt! So was hat’s ja nicht einmal gegeben, wie der Ami mit all’ seine Neger uns befreit hat. Und da gab’s auch einiges!«
»Also«, stotterte der Bernbacher Franz irritiert, »wer erzählt denn so was?«
»Überall wird’s erzählt«, behauptete die Hirlwimmerin, »überall.«
»Ja wo denn, Mama?« Auch Hanni Hirlwimmer war jetzt neugierig geworden.
»Beim Metzger, beim Bäcker, sogar in der Tankstelle.«
»Was machst denn du in der Tankstelle, Mama?«, fragte der Sohn streng. »Du hast ja gar kein Auto!«
»Da geh’ ich öfters hin«, meinte die Alte. »Da gibt’s viele Neuigkeiten. Außerdem gibt’s da einen Togo-Kaffee.«
»Seit wann trinkst du denn afrikanischen Kaffee?«
»Mei, Hanni, hast’ in der Schul’ nicht aufgepasst? Togo hat doch nix mit Afrika zum tun, das ist englisch und heißt ›zum Mitnehmen‹«, erklärte die Schlagersängermutter. Sie war zweifelsohne weltgewandt.
Ihr Sohn schüttelte nur den Kopf und meinte: »Für was brauchst jetzt du einen Kaffee zum Mitnehmen?«
»Ich geh’ eben mit
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