Aufregende Leidenschaft
er sie ruhig, „gehe ich zu Zigarren über.“
Glory in Kalifornien war ein kleiner Touristenort inmitten der Wüste. Bis Ende der 70er Jahre war es nicht mehr als eine Tankstelle mit Einkaufsmöglichkeit für die in der Einsamkeit verstreut lebenden Bewohner gewesen. Doch mit der Eröffnung des „Desert Glory Health Spa“ war der Boom gekommen. Jetzt war der Ort voller schicker Shops, New-Age-Bücherläden und Öko-Restaurants. Es war kurz nach fünf Uhr nachmittags. Diamond war wie besessen gefahren und hatte nur ein Mal angehalten, um zwei Kunststoffbehälter mit Fast Food zu holen.
Das „Desert Glory Health Spa“ war eine paradiesische Oase inmitten der Wüste. Allein die Wasserrechnung muss astronomisch sein, dachte Sally, als Diamond vor dem überdachten Eingang hielt.
„Wie gehen wir vor?“, fragte sie. „Sag bloß nicht, ich soll im Wagen bleiben. Inzwischen müsstest du wissen, dass ich das nicht tue. Und bist du sicher, dass wir hier ganz frech vorfahren können? Hast du vergessen, was in Lake Judgment passiert ist? Kann ja sein, dass du Masochist bist, aber mir bereitet es kein großes Vergnügen, dich wieder zusammenzuflicken.“
Er sah sie an, und das Lächeln überraschte sie. „Und ich dachte, inzwischen wünschst du dir geradezu, dass jemand mir eine ordentliche Tracht Prügel verabreicht.“
„Jetzt, wo du es erwähnst …“
„Vergiss es. Und nein, du wirst nicht im Wagen warten. Du bekommst deine große Chance, Mädchen. Wir ermitteln verdeckt.“
„Verdeckt?“, wiederholte sie begeistert.
„Genau. Wir spielen ein Ehepaar. Zwei hart arbeitende Berufstätige, die ihren Lebensstil verbessern wollen. Wir haben das ‚Fast-Track Weekend‘ gebucht. Das müsste reichen, um deine Schwester zu finden“, erklärte er.
„Und wenn nicht?“
„Es wird reichen.“
Wie eine gehorsame Ehefrau folgte sie ihm in die von Farnen gesäumte Eingangshalle und sah sich neugierig um. Lucy war hier – das sagte ihr der sechste Sinn, der sich selten meldete, sie jedoch noch nie getrogen hatte. Sie zupfte an Diamonds Ärmel, doch er ignorierte sie. Verblüfft stellte sie fest, dass er ein vollkommen anderer Mensch geworden war. Sein Gang, die Schulterhaltung, selbst die Kleidung sah anders aus. Er war anonym geworden, einer von vielen Yuppies, die mittags durch San Francisco hasteten, um die Bank, die Anwaltskanzlei oder die Börse mit dem gerade angesagten Restaurant zu vertauschen.
Sie konnte unmöglich mit ihm mithalten. Sie stolperte, und er hielt sie am Arm fest. Die Frau hinter dem riesigen Schreibtisch war der Typ von kalifornischer Blondine, den Sally noch nie hatte ausstehen können. Wie eine Barbie-Puppe, breites Lächeln, perfektes Gebiss, meilenlange Beine und muskulöser Körper. Sie stand auf, als sie näher kamen, und Sally registrierte wütend, wie die Frau Diamond anerkennend musterte und seine biedere „Ehefrau“ mit einem kurzen, uninteressierten Blick bedachte.
„Mr und Mrs Chandler?“, begrüßte die Frau sie, die Stimme ebenso gestylt und künstlich wie der Rest.
„Raymond und Velma“, erwiderte Diamond mit einem lässigen Grinsen. Und dann fiel bei ihr der Groschen. Die Namen, Raymond Chandler, Schöpfer des großartigen Philip Marlowe. Und Velma, der Inbegriff seiner guten/bösen Romanfrauen. Sally würde diesen Mann heiraten, und wenn es das Letzte war, was sie tun würde.
„Wie ich sehe, sind Sie zum ‚Fast-Track Weekend‘ hier. Sie sehen aus, als wären Sie in Topform. Ich kann mir nicht vorstellen, was wir für Sie tun könnten“, schnurrte die Frau.
„Etwas Auffrischung braucht jeder“, wehrte Diamond geschmeichelt ab. Er griff hinter sich und zog Sally nach vorn. Der Arm um ihre Taille sollte vermutlich zärtlich aussehen, aber er fühlte sich an wie ein Schraubstock. „Und das ist meine Frau. Ich bin sicher, für Velma können Sie etwas tun.“
„Natürlich. Ich empfehle modifiziertes Fasten und unser intensives Conditioning-Programm. Wir sollten damit anfangen, die überschüssigen zehn Pfund abzubauen, die sie mit sich herumträgt.“
Nur Diamonds Arm hielt Sally davon ab, sich auf das arrogante Geschöpf zu stürzen. „Ich brauche keine zehn Pfund abzubauen“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Sie haben recht, dreißig wären noch besser. Schließlich kann man nicht zu schlank oder zu reich sein, oder?“ Die Blondine gab ein schrilles Lachen von sich, und Diamond stimmte mit einem höflichen Wiehern ein, das
Weitere Kostenlose Bücher