Aufregende Leidenschaft
ihn liebe.“
Marietta winkte ihr und eilte davon.
Sally konnte sich gut vorstellen, was Marietta ihrem toleranten Exmann hinterlassen hatte. Einen Stapel unbezahlter Rechnungen. Eine gerichtliche Vorladung. Vielleicht eins ihrer absolut grässlichen Bilder. Was immer es war, es konnte warten.
Die Nacht senkte sich bereits auf das alte Haus, als gelbes Scheinwerferlicht sich durch die wachsende Dunkelheit tasteten. Es war ein alter Wagen, und er hielt direkt vor der Haustür.
Sallys Herz fing an zu klopfen, und sie sprang auf. Als sie die Haustür erreichte, stieg bereits jemand die Stufen hinauf.
Trotz des gesenkten Kopfs wusste sie, wer der Mann war, der einen altmodischen Anzug und einen Hut trug. Sie blieb oben auf der Treppe stehen und wartete auf ihn.
Er sah hoch, entdeckte sie, und Sally registrierte seine leicht verunsicherte Miene. „Ich habe verdammt lange nach so einem alten Chrysler gesucht, wie Marlowe ihn gefahren hat“, sagte er mit rauer Stimme. „Aber dieser 42er Packard war das Beste, was ich auftreiben konnte.“
„James“, erwiderte sie mit leiser Stimme. „Du liebst mich wirklich, nicht wahr?“
Er stand schon fast vor ihr. „Ich dachte, das wüsstest du längst. Hättest du mich sonst dazu gebracht, den Scotch und die Zigaretten aufzugeben?“
„Du hast gesagt, du würdest mich nicht vor 2006 lieben.“ Er war auf der obersten Stufe angekommen. Die Blutergüsse und Schwellungen waren verschwunden, und unter den Stoppeln zeichneten sich die markanten Züge ab.
„Ich lerne schnell. Also? Was soll’s sein, Puppe? Eine Ehe mit einem Privatdetektiv wie mir oder ein Leben voll hohler Vergnügungen? Welches Gift willst du?“
„Diamond“, sagte sie glücklich, „ich bin dein.“ Und sie warf sich in seine Arme, schmiegte sich an ihn und fühlte sich endlich geborgen.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie hörte, wie Jenkins sich diskret räusperte. Benommen löste sie sich von Diamond.
„Was ist, Jenkins?“, murmelte sie, ohne Diamond aus den Augen zu lassen.
„Ihr Vater möchte Sie sehen. Und darf ich Ihnen beiden als Erster meinen Glückwunsch aussprechen?“
„Dürfen Sie“, sagte Diamond. „Vielleicht sollte ich den alten Herrn doch besser um Erlaubnis bitten. Wo ist er?“
„In seinem Arbeitszimmer, Sir. Und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, er hat ziemlich ungeduldig auf Ihr Erscheinen gewartet.“
Sally nahm Diamonds Hand und hopste buchstäblich neben ihm durch die Halle. „Ich kann als deine Sekretärin arbeiten, Diamond. Detektive haben immer Sekretärinnen, die in sie verliebt sind.“
„Ja. Aber die sind normalerweise blond.“
„Ich färbe mir das Haar.“
„Ich werde dich feuern.“
„Das ist das Schöne an der Sache“, erwiderte sie fröhlich. „Deine Frau kannst du nicht feuern.“
„In was bin ich da bloß hineingeraten?“, sagte Diamond.
„In Miss Sallys Klauen“, antwortete Jenkins ernst und öffnete die Tür zum Arbeitszimmer.
Isaiah saß am Schreibtisch, mit einem eigenartigen Ausdruck auf dem Gesicht. Er nickte ihnen abwesend zu. „Deine Mutter ist fort“, sagte er unvermittelt.
„Ja“, sagte Sally, und ihre Euphorie klang schlagartig ab. „Sie hat mir gesagt, sie hätte dir ein Geschenk hinterlassen. Ist es etwas sehr Grässliches?“ Sally machte einen Schritt auf ihren Vater zu, ohne Diamonds Hand loszulassen.
Isaiah schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich kann es noch gar nicht fassen. Sie hat mir das hier hinterlassen.“ Seine knorrigen Hände hielten eine graugrüne Figur hoch. Eine, die Diamond zugleich vertraut und fremd vorkam.
„Ist das etwa …?“, fragte er.
„Ist es“, erwiderte Isaiah und starrte auf die Figur, als traute er seinen Augen nicht. „Der mandschurische Falke.“
– ENDE –
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