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Aufruf zur Revolte

Aufruf zur Revolte

Titel: Aufruf zur Revolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konstantin Wecker , Prinz Chaos II.
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dadurch abgeschafft, dass sie öffentlich aufgezählt werden. Ein spontanes Aufbegehren kann man auch nicht herbeischreiben. Dafür braucht es den göttlichen Funken der Inspiration, der auf die Menge übergreift … und Organisation.
    Vorbildlich ist derzeit die türkische Taksim-Solidarität, ein Bündnis aus über hundert, mitunter sehr unterschiedlichen Bürgerbewegungen.
    Was die massenhafte Verbindung inspirierter Entschlossenheit und präziser Organisation auch in Deutschland bewirken kann, durften wir beide als Teilnehmer der Dresdner Anti-Naziblockaden erleben. Der bis dahin größte Naziaufmarsch Europas ist Geschichte. Dies ist gelungen, nachdem sich ein breites Bündnis von der Autonomen Antifa über Gewerkschaften, Kirchen und Parteien bis hin zu bekannten und weniger bekannten Künstlern auf einen Aktionskonsens und ein klares taktisches Konzept einigen konnte. Beides wurde dank einer brillanten Organisation der Blockaden und großer, vertrauensvoller Einigkeit in der Aktion drei Jahre lang erfolgreich umgesetzt.
    »Dresden Nazifrei« ist eine Blaupause für erfolgreichen Widerstand in Deutschland. Aber jetzt kommt es darauf an, diese Erfahrungen auf soziale Themen und den Kampf gegen den Überwachungsstaat anzuwenden. Das ist ungleich schwieriger, und die 20.000 Demonstranten von Dresden werden für dieses Unterfangen nicht ausreichen.
    Umfragen zufolge sind wir Deutsche ja hochzufrieden mit der Arbeit unserer Regierung. Aber wer fragt da wen? Was muss noch passieren, bis auch wir aus unserem Dornröschenschlaf erwachen und uns beispielsweise der Tatsache stellen, dass die glänzenden Erfolge beim »Abbau der Arbeitslosigkeit« auf Billiglohn und Zeitarbeit basieren? Wer aber bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt ist, hat keinen Arbeitgeber mehr, sondern einen Zuhälter, wie Volker Pispers richtig sagt.
    Es hat auch gar keinen Zweck zu hoffen, dass die Krise alle anderen zuerst erwischt und uns verschont. Die Krise ist längst da, nur noch nicht bei allen. Die Einschläge kommen näher.
    Wenn »Dresden Nazifrei« die organisatorische Blaupause ist, sind 1968 und 1989 deshalb die Vision. Was auch immer jeweils aus diesen demokratischen Eruptionen folgte – und wir meinen, in beiden Fällen überwiegen die positiven Folgen bei weitem! – beweisen sie, dass auch der deutsche Bürger und die deutsche Bürgerin grundsätzlich zur Revolte fähig sind.
    Es mag lange dauern, bis in diesem alten, schweren Land die Steine ins Rollen kommen und Mauern brechen. Doch dass es möglich ist, wissen wir, wie wir auch um den Abgrund wissen, der sich gähnend vor uns auftut und in den wir alle miteinander stürzen werden, wenn wir nicht schleunigst massenhaft aufbegehren.
    Kann man sich nun auch in Deutschland »räumungsfreie Zonen« vorstellen, wo die örtlichen Behörden die Zwangsräumungen von Wohnungen nicht mehr unterstützen? Bayerische und thüringische Feuerwehrleute, die es ihren Kameraden auf Ibiza und in Galizien oder aragonesischen Schlüsseldiensten gleich tun und sich weigern, bei der Exekution von Räumungsbeschlüssen zu helfen?
    Auch in Spanien haben die Allerwenigsten mit solch betörenden Schönheiten einer gesamtgesellschaftlichen Revolte gerechnet. Die Bloggerin Maria Luisa Toribo schreibt:
    Ein großer Teil der Bürger war eingeschlafen und hatte sich enthusiastisch der Rolle hingegeben, die man sich für uns ausgedacht hatte: die der Konsumenten. Nun haben sich neue Bewegungen gebildet, die neue Formen der Bürgerbeteiligung erfinden und einfordern.
    Sehen wir uns die Schwulen und Lesben an! In einem Tagebucheintrag von 1992 jubelt der Prinz, weil sage und schreibe 10.000 Menschen zum CSD in Berlin kamen. Eine Sensation! Wenige Jahre später waren es auch in Hamburg oder München Hunderttausende. Und ungezählte Einzelne standen im Alltag, im privaten Umfeld, am Arbeitsplatz, in den Schulen für ihre Freiheit und gegen den Rassismus in der Liebe auf. Früher kaum vorstellbare emanzipatorische Fortschritte wurden so erkämpft – aus einer Lage heraus, wie sie nach der AIDS-Katastrophe verzweifelter kaum hätte sein können.
    Alles ist möglich, wenn Leute zu sich selbst stehen; wenn sie als Einzelne und als Menge aufstehen für ihre Träume und Rechte; wenn sie mit Stolz und Tränen in den Augen stehen bleiben – und wieder aufstehen, wenn sie niedergeschlagen werden.
    Du bist aber allein?
    Du bist aber machtlos?
    Soweit wir sehen können, hat Edward Snowden eine sehr einsame Entscheidung

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