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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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gefährlich, auch wenn er nicht so aussieht.»
    «Gerade darum ist er gefährlich. Aber wenn er meinen Brief gelesen hat, weiß er, daß Sie es nicht sind.»
     
    Ein paar kleine Ungereimtheiten klärten sich auf, als sie ins College kamen und in Harriets Fach eine Nachricht von Peter fanden. Darin hieß es, daß er am frühen Samstagnachmittag in London angekommen sei und Harriets Brief an ihn im Außenministerium vorgefunden habe. «Ich habe Sie anzurufen versucht, aber keinen Namen angegeben, weil ich nicht wußte, ob Sie mich persönlich in der Sache in Erscheinung treten lassen wollten.» Er habe nachmittags noch in London zu tun gehabt, sei zur Abendessenszeit in Oxford eingetroffen, von ein paar alten Studienkollegen entführt und vom Rektor freundlicherweise eingeladen worden, bei ihm zu übernachten, und werde «morgen irgendwann» anrufen und hoffe, sie anzutreffen.
    Sie wartete im Wohnzimmer der Dekanin und sah müßig zu, wie die Sommersonne verspielt durch die Äste der Platane auf dem Neuen Hof schien und ein tanzendes Muster auf die Steinplatten warf, bis sie sein Klopfen hörte. Als sie «Herein!» rief, war es, als ob diese Alltagsfloskel eine beängstigende Bedeutung erhielte. Sie hatte auf Gedeih oder Verderb etwas aus der Außenwelt hereingeholt, was die geordnete Ruhe dieser Institution zersprengen konnte wie Dynamit; sie hatte die Bresche an eine fremde Macht verraten; sie hatte sich auf die Seite Londons gegen Oxford gestellt, sich mit der Welt gegen das Kloster verbündet.
    Doch als er eintrat, wußte sie, daß dieses Bild nicht stimmte. Er kam in das stille Zimmer, als gehörte er hierher und hätte nie woandershin gehört.
    «Hallo-hallo!» sagte er mit nur einer Spur seiner alten, schnoddrigen Art. Dann nahm er seinen Talar ab und warf ihn neben den ihren auf die Couch; das Barett legte er auf den Tisch.
    «Ich habe Ihre Nachricht gefunden, als ich zurückkam. Sie haben also meinen Brief bekommen?»
    «Ja. Tut mir leid, daß Sie alle diese Umstände hatten. Und da ich sowieso nach Oxford kommen wollte, dachte ich, am besten komme ich auch gleich einmal zu Ihnen. Eigentlich wollte ich das schon gestern abend tun, aber dann bin ich bei Freunden hängengeblieben – und ich dachte, es sei vielleicht auch besser, mich vorher anzumelden.»
    «Es war jedenfalls nett von Ihnen zu kommen. Bitte, nehmen Sie Platz.»
    Sie zog einen Sessel vor, und er ließ sich ziemlich schwer hineinfallen. Sie bemerkte mit einem merkwürdigen kleinen Anflug von Besorgnis, wie das helle Licht die eckigen Schädelkonturen an Wangen und Schläfen sichtbar werden ließ.
    «Peter! Sie sehen todmüde aus. Was haben Sie nur getrieben?»
    «Geredet», sagte er mißvergnügt. «Worte, nichts als Worte. Diese ganzen endlosen Wochen lang. Ich bin fürs Außenministerium der Spaßmacher vom Dienst, wußten Sie das nicht? Stimmt aber. Nicht oft, aber ich stehe in den Kulissen auf Abruf bereit. Irgendwo passiert eine Panne – der Sekretär eines Unterstaatssekretärs mit wenig Takt und noch weniger Französisch gebraucht bei einer Tafelrede eine etwas unbedachte Redewendung, rasch jagt man den Hanswurst auf die Bühne, damit er das Publikum wieder in Stimmung bringt. Ich führe Leute zum Essen und erzähle ihnen lustige Geschichtchen und stimme sie wieder gnädig. Mein Gott, was für ein Spaß!»
    «Das wußte ich nicht, Peter. Ich habe vorhin erst festgestellt, daß ich mir in meinem Egoismus nicht einmal die Mühe gemacht habe, etwas über Sie in Erfahrung zu bringen. Aber so mutlos zu reden, ist nicht Ihre Art. Sie sehen aus wie –»
    «Verschonen Sie mich, Harriet. Sagen Sie nicht, ich sehe allmählich so alt aus wie ich bin. Das darf nicht sein. Ewige Kindlichkeit ist mein einziger diplomatischer Vorzug.»
    «Sie sehen nur aus, als ob Sie wochenlang nicht geschlafen hätten.»
    «Jetzt, da Sie’s sagen, bin ich mir da auch nicht mehr sicher. Ich dachte – eine Zeitlang dachten wir alle –, es würde womöglich etwas passieren. Der ganze Schlamassel von vorn. Eines Abends habe ich sogar zu Bunter gesagt: ‹Es geht wieder los; es ist schon soweit; zurück an die Front, Sergeant.› Aber schließlich – na ja – da hat es sich dann doch wieder verzogen – für den Augenblick.»
    «Dank Ihrer lustigen Geschichten?»
    «O nein! Du lieber Himmel! Meine Rolle war ganz nebensächlich. Kleines Scharmützel auf einem Nebenkriegsschauplatz. Bilden Sie sich nicht ein, ich sei der Mann, der das Königreich gerettet hat.»
    «Wer

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