Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
hat es denn gerettet?»
    «Keine Ahnung. Niemand weiß das. Mit Sicherheit weiß das überhaupt nie jemand. Die Karre wackelt mal dahin, und man denkt: ‹Jetzt hat’s gekracht!› Und dann wackelt sie in die andere Richtung, und man denkt: ‹Alles wieder in Butter.› Und eines schönen Tages wackelt sie ein Stückchen zu weit, und plötzlich sitzt man mitten in der Patsche und weiß gar nicht, wie man da hineingeraten ist.»
    «Davor fürchten wir uns wohl im Innersten alle.»
    «Ja. Es macht mich wahnsinnig vor Angst. Es ist eine Erlösung, hierher zurückzukommen und Sie hier zu finden – und hier alles seinen Gang gehen zu sehen wie immer. Hier geschieht alles das, worauf es eigentlich ankommt, Harriet – wenn diese Pfuscher da draußen nur mal den Mund hielten und die Finger davon ließen. Mein Gott, wie ich diese Hast und Gewalt und diese widerliche, aalglatte Schlauheit verabscheue! Unlogisch, unwissenschaftlich, unaufrichtig – nichts als Propaganda und Spitzfindigkeiten und ‹Was kriegen wir dafür?› Keine Zeit, kein Frieden, keine Stille; immer nur Konferenzen und Zeitungen und große Ansprachen, bis man sich selber nicht mehr denken hört … Wenn man hier doch nur zwischen dem Gras und den Steinen Wurzeln schlagen und etwas tun könnte, was der Mühe wert ist, und sei es nur, daß man aus bloßer Liebe zur Sache ein verlorengegangenes Aspirationszeichen wiedereinsetzt.»
    Sie war erstaunt, ihn mit solcher Leidenschaft sprechen zu hören.
    «Aber Sie sagen genau das, was ich die ganze Zeit fühle, Peter. Ist das denn überhaupt möglich?»
    «Nein, es ist nicht möglich. Obwohl es Augenblicke gibt, wo man hierher zurückkommt und es für möglich hält.»
    «Fraget nach den vorigen Wegen, welches der gute Weg sei, und wandelt darauf, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.»
    «Ja», sagte er verbittert, «und dann heißt es weiter: ‹Aber sie sprechen, wir wollen’s nicht tun.› Ruhe? Ich hatte schon vergessen, daß es dieses Wort gibt.»
    «Ich auch.»
    Sie saßen ein paar Minuten schweigend da. Wimsey bot ihr eine Zigarette an und gab ihr und sich Feuer.
    «Peter, ist es nicht sonderbar, daß wir hier sitzen und so miteinander reden? Erinnern Sie sich noch an diese schreckliche Zeit in Wilvercombe, als wir einander nichts anderes an den Kopf werfen konnten als billigen Witz und Gehässigkeiten? Das heißt, gehässig war ich; Sie waren es nie.»
    «Das war die Kurortatmosphäre», sagte Wimsey. «In Badeorten ist man immer furchtbar ordinär. Es ist der Alptraum meines Lebens, daß sich einmal in Brighton oder Blackpool ein unwiderstehlich schönes Problem auftun und ich schwachsinnig genug sein könnte, hinzufahren und mich damit zu befassen.» Das Lachen war wieder in seiner Stimme, und sein Blick war ruhiger geworden. «Gottlob ist es in Oxford sehr schwierig, mit billigem Witz durchzukommen – zumindest nach dem zweiten Jahr. Wobei mir einfällt, daß ich Ihnen noch nicht richtig dafür gedankt habe, daß Sie so nett zu Saint-George waren.»
    «Haben Sie ihn noch nicht gesehen?»
    «Nein; ich habe ihm meinen Besuch für Montag angedroht und werde mich ihm von einer sehr unonkelhaften Seite zeigen. Heute ist er mit Freunden irgendwohin unterwegs. Ich weiß, was das heißt. Der Junge wird total verdorben.»
    «Das darf Sie nicht wundern, Peter. Er sieht ungemein gut aus.»
    «Er ist ein frühreifer kleiner Affe», sagte sein Onkel ohne Begeisterung. «Aber das kann ich ihm nicht übelnehmen. Es liegt in der Familie. Es ist doch typisch für seine Unverfrorenheit, Ihnen seine Bekanntschaft aufzudrängen, nachdem Sie sich bisher standhaft geweigert haben, meine Familie kennenzulernen.»
    «Aber ich bin ja ihm in den Weg gelaufen, Peter.»
    «Im wahrsten Sinne des Wortes – behauptet er jedenfalls. Wenn ich es richtig sehe, hat er Sie beinahe umgerannt, sich an Ihrem Eigentum vergriffen und Sie ganz allgemein belästigt, woraus Sie unverzüglich schlossen, daß er mit mir verwandt sein muß.»
    «Das ist – wenn er das gesagt hat, sollten Sie es eigentlich besser wissen und ihm kein Wort glauben. Aber die Ähnlichkeit war nun einmal schwer zu übersehen.»
    «Und da gibt es Leute, die abfällig über meine äußere Erscheinung reden! Ich gratuliere Ihnen zu einem Scharfblick, der eines Sherlock Holmes in seinen besten Tagen würdig gewesen wäre.»
    Es belustigte und rührte sie zugleich, diesen kindlichen Zug von Eitelkeit an ihm zu entdecken. Aber sie wußte, daß er sie sofort

Weitere Kostenlose Bücher