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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Gefühlsmenschen sich um sie kümmern lassen?»
    «Das tun sie dauernd.»
    «Allerdings.» Zum fünftenmal winkte er den Kellner herbei, damit er Harriets Serviette aufhob. «Warum sind Genies immer schlechte Ehemänner und so? Aber was wollen Sie nun mit denen anfangen, die mit beidem gestraft sind, Herz und Hirn?»
    «Entschuldigen Sie, daß ich immer alles fallen lasse. Diese Seide ist so glatt. Nun also, ich glaube, das ist genau das Problem. Allmählich neige ich zu der Ansicht, daß die sich entscheiden müssen.»
    «Nicht einen Kompromiß schließen?»
    «Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Kompromiß funktioniert.»
    «Daß ich es noch erleben muß, einen Menschen englischen Geblüts den Kompromiß schmähen zu hören!»
    «Oh, ich bin keine reinblütige Engländerin. Irgendwo bin ich auch ein bißchen schottisch und irisch.»
    «Womit bewiesen wäre, daß Sie Engländerin sind. Keine andere Rasse brüstet sich mit ihrer Mischblütigkeit. Ich selbst bin einfach unanständig englisch, weil ich neben den üblichen Nationalitäten noch zu einem Sechzehntel Franzose bin. Der Kompromiß liegt mir also schon im Blut. Na ja, aber würden Sie mich nun als Herz oder Hirn einstufen?»
    «Das Hirn kann Ihnen niemand absprechen», sagte Harriet.
    «Wer wollte das auch? Und Sie können mir zwar das Herz absprechen, aber daß Sie seine Existenz leugnen, möchte ich erst erleben.»
    «Jetzt argumentieren Sie wie ein elisabethanischer Wortverdreher – zwei Bedeutungen in einem Wort.»
    «Es war Ihr Wort. Sie selbst werden etwas verleugnen müssen, bevor Sie Cäsars Opfer spielen.»
    «Cäsars …?»
    «Ein Opfertier, das kein Herz hatte. Ist Ihre Serviette wieder runtergerutscht?»
    «Nein – diesmal ist es meine Handtasche. Sie liegt genau unter Ihrem linken Fuß.»
    «Oh!» Er sah sich um, aber der Kellner war entschwunden.
    «Nun ja», fuhr er fort, ohne sich zu rühren, «es ist des Herzens Amt, dem Hirn zu dienen, aber in Anbetracht –»
    «Bitte bemühen Sie sich nicht», sagte Harriet, «es macht überhaupt nichts.»
    «In Anbetracht meiner zwei gebrochenen Rippen versuche ich es lieber gar nicht; wenn ich nämlich erst unten bin, komme ich wahrscheinlich nie mehr hoch.»
    «Du meine Güte!» rief Harriet. «Ich fand Ihr Benehmen ja wirklich etwas steif. Warum haben Sie mir um Himmels willen nichts davon gesagt, statt dazusitzen wie ein Märtyrer und zuzusehen, wie ich mir ein falsches Urteil über Sie bilde?»
    «Ich kann wohl überhaupt nichts richtig machen», sagte er kläglich.
    «Wie haben Sie das fertiggebracht?»
    «Ich bin auf höchst ungeschickte Weise von einer Mauer gefallen. Ich hatte es ein bißchen eilig; auf der anderen Seite stand nämlich so ein häßlicher Kerl mit einer Pistole. Es war auch weniger die Mauer als die Schubkarre, die unten stand. Und es sind jetzt weniger die Rippen als der Klebeverband. Er ist höllisch fest und juckt zum Verrücktwerden.»
    «Wie gräßlich für Sie! Es tut mir so leid. Was ist aus dem Kerl mit der Pistole geworden?»
    «Ach ja! Ich fürchte, persönliche Komplikationen können ihm nichts mehr anhaben.»
    «Wenn das Glück auf der anderen Seite gewesen wäre, könnten sie statt dessen Ihnen nichts mehr anhaben, ja?»
    «Wahrscheinlich. Und dann würde ich auch Ihnen nicht mehr lästig fallen. Wenn mein Verstand gewesen wäre, wo mein Herz war, hätte ich diese Regelung sicher begrüßt. Aber da mein Verstand momentan bei meiner Aufgabe war, bin ich ausgerissen, so schnell ich laufen konnte, um weiterzuleben und den Fall abschließen zu können.»
    «Darüber bin ich jedenfalls froh, Peter.»
    «Wirklich? Das zeigt, wie schwer es selbst dem bedeutendsten Gehirn fällt, gänzlich herzlos zu sein. Mal sehen. Ein Heiratsantrag steht mir heute nicht zu, und ein paar Meter Klebeverband rechtfertigen noch lange keine Ausnahme. Aber wenn Sie nichts dagegen haben, trinken wir den Kaffee im Salon, denn dieser Stuhl fühlt sich langsam so hart wie eine Schubkarre an und scheint es bei mir auf genau dieselben Stellen abgesehen zu haben.»
    Er erhob sich vorsichtig. Der Kellner kam und barg Harriets Handtasche nebst ein paar Briefen, die sie dem Postboten beim Verlassen des Hauses abgenommen und ungelesen ins Außenfach ihrer Handtasche gesteckt hatte. Wimsey führte seine Begleiterin in den Salon, bugsierte sie auf einen Sessel und ließ sich selbst mit einer Grimasse in die Ecke einer niedrigen Couch sinken.
    «Ein ziemlich weiter Weg bis unten, nicht?»
    «Es geht,

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