Aufruhr in Oxford
Ich – ich –» Sie sah auf und fuhr ein wenig zittrig fort:
«Ich lasse mir Sie nicht von Revolverhelden und anonymen Schmierfinken fertigmachen!»
Er setzte sich so ruckartig auf, daß seine Freudenäußerung zu einem halben Schmerzensschrei wurde.
«Oh, dieses verdammte Pflaster! … Harriet, Sie haben Mumm, das muß ich sagen. Geben Sie mir die Hand, und wir werden zusammen kämpfen, bis wir umfallen. He! Bitte nicht! In diesem Club wird nicht geheult. Das hat es noch nie gegeben, und wenn sie mich derart kompromittieren, bekomme ich Krach mit dem Vorstand. Womöglich schließen sie den Damensalon für immer.»
«Entschuldigung, Peter.»
«Und tun Sie keinen Zucker in meinen Kaffee.»
Später abends, nachdem er unter ihrer kräftigen Mithilfe laut fluchend aus den unbequemen Tiefen des Sofas wiederaufgetaucht und von ihr zur Ruhe geschickt worden war, soweit er zwischen den Schmerzen der Liebe und des Klebeverbands an Ruhe denken konnte, kam sie endlich dazu, sich Gedanken darüber zu machen, daß der vom Schicksal Besiegte, sofern es einen besiegt hatte, jedenfalls nicht Peter Wimsey war. Dafür beherrschte er diesen Ringertrick zu gut, des Gegners Kraft sich selbst besiegen zu lassen. Und doch wußte sie eines gewiß: Hätte sie, als er fragte: «Soll ich gehen?» mit freundlicher Bestimmtheit geantwortet: «So leid es mir tut, aber ich halte es für besser», so hätte die Angelegenheit damit ihr ersehntes Ende gefunden.
«Ich wünschte», sagte sie zu der Freundin, die sie auf der Europareise begleitet hatte, «er würde sich endlich einmal so oder so entscheiden.»
«Aber das tut er doch», antwortete die Freundin. « Er weiß, was er will. Nur du weißt es nicht. Es ist natürlich nicht angenehm, Schluß zu machen, aber ich sehe nicht ein, warum er dir alles Unangenehme abnehmen soll, zumal er selbst ja gar nicht Schluß machen will. Und was die anonymen Briefe angeht, finde ich es lächerlich, sie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.»
Die Freundin hatte gut reden, denn in ihrem ausgefüllten, arbeitsreichen Leben hatte sie solche wunden Punkte nicht.
«Peter meint, ich soll mir eine Sekretärin nehmen, die sie für mich aussondert.»
«Nun», sagte die Freundin, «das ist immerhin ein praktikabler Vorschlag. Aber da er von ihm kommt, wirst du wahrscheinlich wieder einen genialen Grund finden, ihn nicht anzunehmen.»
«So schlimm bin ich nun auch wieder nicht», sagte Harriet und engagierte die Sekretärin.
So ging es ein paar Monate lang. Sie unternahm keine weiteren Anstrengungen, den Konflikt zwischen den Ansprüchen des Herzens und des Verstandes auszudiskutieren. Solche Gespräche mündeten stets in einen gefährlichen Gedankenaustausch über Persönliches, und da konnte er sie dank seiner größeren geistigen Beweglichkeit und besseren Selbstkontrolle jedesmal in die Enge treiben, ohne von sich selbst etwas preiszugeben. Nur durch brutales Nachbohren konnte sie seinen Schutzpanzer brechen; und allmählich begann sie sich vor diesen Grausamkeitsanwandlungen selbst zu fürchten.
Sie hörte in der ganzen Zwischenzeit nichts mehr vom Shrewsbury College, außer daß sie im Herbsttrimester eines Tages eine etwas dümmliche Meldung in einer Londoner Tageszeitung las, in der die Welt unter der Überschrift «Studentessen-Streiche» erfuhr, daß auf dem Hof des Shrewsbury College ein Freudenfeuer mit Talaren veranstaltet worden sei und die «Chefin» disziplinare Maßnahmen angekündigt habe. Studierende Frauen waren natürlich immer noch eine Schlagzeile wert. Harriet schrieb einen schnippischen Brief an die Zeitung und wies darauf hin, daß «Studentin», nicht «Studentesse», wohl der angemessene Ausdruck und «Rektorin» der richtige Titel für Dr. Baring sei. Der Erfolg war eine Serie von Leserbriefen, in denen dann von «Studierdamen» und «Seminarmäuschen» die Rede war.
Sie verkündete Wimsey – der zufällig das nächstbeste männliche Opfer war –, daß diese Unverschämtheiten typisch für die Einstellung des Durchschnittsmannes gegenüber den geistigen Interessen der Frauen seien. Er antwortete, daß schlechte Manieren ihm schon immer zuwider gewesen seien; aber ob das denn schlimmer sei, als wenn in den Zeitungen ausländische Monarchen immer nur beim Vornamen genannt würden, ohne ihren Titel?
Ungefähr drei Wochen vor Ende des Frühjahrstrimesters wurde Harriets Aufmerksamkeit jedoch erneut auf Collegeprobleme gelenkt, diesmal in einer viel persönlicheren und
Weitere Kostenlose Bücher