Aufruhr in Oxford
sie, als ihre Verlobung platzte. Sie und Lionel Farringdon waren nämlich Jugendfreunde gewesen und so weiter, und alles war geregelt worden, bevor sie nach Oxford kam. Dann ist Farringdon unserer Miss Flaxman in die Fänge geraten, und es gab einen schrecklichen Krach. Hinzu kamen gewisse Komplikationen, und Violet Cattermole ist völlig entnervt.»
«Ich weiß», sagte Harriet. «So eine Art Torschlußpanik – ich muß unbedingt auch einen Mann haben – so ähnlich, ja?»
«Ja. Egal wer’s ist. Ich glaube, das ist eine Art Minderwertigkeitskomplex oder so was. Da macht man Dummheiten, um sein Selbstbewußtsein zu stärken. Drücke ich mich verständlich aus?»
«O ja. Ich verstehe das sehr gut. Es kommt oft vor. Man spielt mal so richtig das kleine Biest. Sind solche Sachen schon öfter passiert?»
«Nun ja», gestand Miss Briggs, «öfter als mir lieb ist. Ich habe schon versucht, Violet zur Vernunft zu bringen, aber was nützt es, den Leuten zu predigen? Wenn sie in dieser Verfassung sind, könnte man ebensogut mit dem Mann im Mond reden. Und so ärgerlich das alles für den kleinen Pomfret ist, er ist furchtbar anständig und verläßlich. Wenn er einen starken Willen hätte, würde er sich da natürlich aus der Affäre ziehen. Aber ich bin eigentlich froh, daß er den nicht hat, denn sonst wäre sie womöglich an irgendeine schreckliche Laus geraten.»
«Könnte daraus eigentlich etwas werden?»
«Heirat, meinen Sie? N-nein. Ich glaube, dafür hat er doch zuviel Selbsterhaltungstrieb. Außerdem – wissen Sie, Miss Vane, es ist schon wirklich eine Gemeinheit. Miss Flaxman kann einfach von niemandem die Finger lassen, und jetzt versucht sie auch Pomfret abzuschleppen, obwohl sie ihn gar nicht haben will. Wenn sie doch nur die arme Violet in Ruhe ließe, würde wahrscheinlich alles ganz von selbst in Ordnung kommen. Hören Sie, ich habe Violet sehr gern. Sie ist ein nettes Mädchen, und mit dem richtigen Mann wäre alles in Ordnung. Eigentlich hat sie hier in Oxford gar nichts verloren. Ein eigenes Heim und einen Mann, den sie lieben kann, ist alles, was sie wirklich braucht. Aber es müßte einer sein, der weiß, was er will, der unendlich zärtlich und doch bestimmt ist. Jedenfalls nicht Reggie Pomfret, denn er ist ein ritterlicher Trottel.»
Miss Briggs stocherte wütend im Feuer.
«Nun», sagte Harriet, «hier muß jedenfalls etwas geschehen. Ich möchte nicht zur Dekanin gehen, aber –»
«Natürlich muß etwas geschehen», sagte Miss Briggs. «Es ist schon ein unwahrscheinliches Glück, daß Sie diese Geschichte entdeckt haben und nicht etwa eine von den Professorinnen. Ich habe mir fast schon gewünscht, daß mal etwas passiert, solche Sorgen habe ich mir gemacht. In solchen Dingen weiß ich überhaupt nicht, wie ich mich verhalten soll. Aber ich mußte mehr oder weniger zu Violet stehen – sonst hätte ich einfach ihr Vertrauen ganz verloren, und weiß der Himmel, was sie dann für dumme Sachen angestellt hätte.»
«Ich glaube, da haben Sie vollkommen recht», sagte Harriet.
«Aber jetzt kann ich vielleicht mal ein Wörtchen mit ihr reden und ihr sagen, sie soll sich besser überlegen, was sie tut. Schließlich wird sie mir irgendeine Garantie dafür geben müssen, daß sie sich demnächst vernünftiger verhalten wird, wenn ich sie nicht bei der Dekanin melden soll. Ich glaube, eine wohlgemeinte kleine Erpressung ist hier angebracht.»
«Ja», pflichtete Miss Briggs ihr bei. «Das schaffen Sie auch. Es ist ungemein anständig von Ihnen. Ich bin froh, wenn ich diese Verantwortung los bin. Es ist ziemlich mühsam, das alles – und es hält einen von der Arbeit ab. Nach dem nächsten Trimester muß ich eine Prüfung machen, und es ist ziemlich aufreibend, wenn man nie weiß, was als nächstes passiert.»
«Ich nehme an, Miss Cattermole braucht Sie sehr.»
«Ja», sagte Miss Briggs, «aber es kostet so viel Zeit, sich den Kummer anderer Leute anzuhören, und ich weiß überhaupt nicht gut mit Temperamentsausbrüchen fertig zu werden.»
«Die Aufgabe einer Vertrauten ist schwer und undankbar», sagte Harriet. «Es ist kein Wunder, wenn man selbst durchdreht. Eher ist es schon ein Wunder, wenn man seinen kühlen Kopf behält wie Sie. Aber ich gebe Ihnen recht, daß Ihnen diese Bürde abgenommen werden muß. Sind Sie die einzige?»
«So ziemlich. Die arme Violet hat bei dem großen Krach viele Freundinnen verloren.»
«Und die Sache mit den anonymen Briefen?»
«Ach, davon haben Sie auch
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