Aufruhr in Oxford
nicht. Aber das können Sie immer an der Pforte erfragen.»
«Oh, darf ich? Das ist großartig. Ich komme – und wenn Sie nicht da sind, hinterlasse ich Ihnen eine Nachricht. Ich meine, Sie müssen nämlich mal zu mir zum Tee oder zu einem Cocktail kommen. Und ich verspreche ehrlich, daß es nicht wieder vorkommt, wenn ich es eben vermeiden kann.»
«Gut. Übrigens – um welche Zeit ist Miss Cattermole bei Ihrem Freund eingetroffen?»
«Hm – gegen halb zehn, glaube ich. Genau weiß ich es nicht. Warum?»
«Ich habe mich nur gefragt, ob sie wohl im Pförtnerbuch steht. Aber darum kümmere ich mich. Gute Nacht.»
«Gute Nacht», sagte Mr. Pomfret. «Und vielen herzlichen Dank.»
Harriet schloß die Seitentür wieder ab und kehrte über den Hof zurück; sie hatte das Gefühl, daß mit diesem sonst so ärgerlichen Zwischenfall doch etwas gewonnen war. Die Puppe konnte kaum vor halb zehn dort hingehängt worden sein, so daß Miss Cattermole sich mit ihrer Dummheit ein gußeisernes Alibi zugelegt hatte. Harriet war ihr für diesen winzigen Fortschritt in ihren Ermittlungen so dankbar, daß sie beschloß, dem Mädchen nach Möglichkeit die Folgen ihrer Eskapade zu ersparen.
Das erinnerte sie daran, daß Miss Cattermole ja noch im Badezimmer auf dem Fußboden lag und sich jemand ihrer annehmen mußte. Nicht auszudenken, wenn sie inzwischen zu sich gekommen wäre und angefangen hätte, Krach zu schlagen. Aber als sie in den Neuen Hof kam und die Tür aufschloß, fand sie ihre Gefangene in tiefem Schlaf nach all den Schrecknissen. Ein kleiner Rundgang über die Korridore ergab, daß Miss Cattermole im ersten Stock ihr Zimmer hatte. Harriet öffnete die Tür zu diesem Zimmer, und im selben Moment ging die Tür nebenan auf, und ein Kopf schaute heraus.
«Bist du das, Cattermole?» flüsterte der Kopf. «Oh, Entschuldigung.» Fort war der Kopf wieder.
Harriet hatte die Studentin erkannt, die nach der Bibliothekseinweihung zu Miss Cattermole gegangen war und mit ihr gesprochen hatte. Sie ging zu der Tür, die den Namen «C. I. Briggs» trug, und klopfte leise. Der Kopf erschien wieder.
«Haben Sie gedacht, es sei Miss Cattermole, die zurückkommt?»
«Nun», sagte Miss Briggs, «ich habe jemanden an der Tür gehört – oh! Sie sind doch Miss Vane, nicht?»
«Ja. Was hat Sie dazu gebracht, aufzubleiben und auf Miss Cattermole zu warten?»
Miss Briggs, die einen Wollmantel über dem Pyjama trug, blickte ein wenig erschrocken drein.
«Ich hatte noch zu arbeiten. Da war ich sowieso noch auf. Warum?»
Harriet sah sich das Mädchen an. Miss Briggs war klein und kräftig gebaut und hatte ein unauffälliges, energisches und vernünftiges Gesicht. Sie erschien ihr vertrauenswürdig.
«Wenn Sie Miss Cattermoles Freundin sind», sagte Harriet, «kommen Sie am besten mit und helfen mir mit ihr die Treppe herauf. Sie liegt unten im Bad. Ich habe sie gefunden, wie ein junger Mann ihr gerade über die Mauer half, und sie ist schlimm dran.»
«Ach Gott!» sagte Miss Briggs. «Blau?»
«Ich fürchte, ja.»
«Die ist ja verrückt», rief Miss Briggs. «Ich wußte doch, daß es mal Ärger geben würde. Gut, ich komme.»
Zusammen schleiften sie Miss Cattermole die laute, gebohnerte Treppe hinauf und legten sie auf ihr Bett. In verbissenem Schweigen zogen sie ihr die Kleider aus und steckten sie unter die Decke.
«Sie schläft ihren Rausch jetzt aus», sagte Harriet. «Ich finde übrigens, daß eine kleine Erklärung nicht fehl am Platz wäre. Wie wär’s damit?»
«Kommen Sie mit in mein Zimmer», sagte Miss Briggs. «Möchten Sie ein Glas warme Milch oder Kakao oder Kaffee oder sonst etwas?»
Harriet nahm die Milch an. Miss Briggs setzte in der Kochnische gegenüber den Kessel auf, kam zurück, schürte das Feuer und nahm auf einem Sitzkissen Platz.
«Sagen Sie mir bitte, was passiert ist», sagte Miss Briggs.
Harriet erzählte es ihr, ohne die Namen der beteiligten Herren zu nennen. Aber Miss Briggs ergänzte sie von sich aus.
«Das war natürlich Reggie Pomfret», sagte sie. «Der arme Kerl. Immer läßt man ihn mit dem Baby sitzen. Aber was soll der Junge auch tun, wenn sie ihm so nachläuft?»
«Schlimm», sagte Harriet. «Ich meine, um sich da mit Eleganz aus der Affäre zu ziehen, braucht man schon etwas Welterfahrung. Liegt dem Mädchen wirklich was an ihm?»
«Nein», sagte Miss Briggs. «Nicht wirklich. Sie braucht nur irgend jemanden oder irgend etwas. Wissen Sie, es war ein schwerer Schlag für
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