Aufstand der Maenner
schlingerte das Schiff gewaltig mit dem ungefügen Segel vor dem Wind. Mit aller Kraft mühte der Steuermann sich, das Fahrzeug am Ausscheren zu hindern. Gerade das aber wollte Garp. Beidrehen wollte er die »Labrys«, auf die Jokbed mit äußerster Geschwindigkeit zuhielt. Man sah bereits die schäumenden Einschläge seiner Ruder, und sein Segel stand prall. Sehr bald mußte sein Bord die »Labrys« berühren, wenn man deren Fahrt ein Ende machen konnte.
Dreimal zielte Garp - dreimal setzte er wieder ab und berechnete nach dem Wind die Abdrift des Pfeils. Beim viertenmal schoß er, und der Steuermann fiel mit einem Schrei rücklings über Heck in das Meer. Einige Augenblicke torkelte die »Labrys« noch auf Kurs. Dann drängte sie schwer nach Backbord und scherte steuerbords aus. Das Segel verlor Wind und flaggte und knallte. Kein Mensch wagte sich an das herrenlose Steuer, und dann wäre es auch schon zu spät gewesen. Denn jetzt lag die »Labrys« mit dem Bug im Wind, und das Segel bauschte sich heckwärts um den Mast. Es hätte aller * Kraft der Ruder und großen seemännischen Könnens bedurft, um das Fahrzeug wieder vor den Wind und auf Fahrt zu bringen. Aber von nun an flogen Garps Pfeile mit dem Wind, und wenn sich jemand an Bord befand, der die »Labrys« in seine Gewalt hätte bringen können, so wagte doch keiner, es zu tun, solange der Junge mit seinen Pfeilen das Schiff beherrschte. An das Steuer zu treten bedeutete den Tod, und das schien auch das Ergebnis der Beratung mittschiffs gewesen zu sein; denn jetzt rückten die Gewappneten im Schutze ihrer großen Schilde geschlossen gegen ihn vor -nicht nur im Mittelgang, sondern auch von Ruderbank zu Ruderbank über die Sklaven hinweg. Die Absicht war klar: Garp sollte von vorn und von den Seiten gepackt werden; aber das hatte er fast eher erkannt, als sich die Angreifer darüber einig gewesen waren. Er hatte ein schönes eisernes, scharf geschliffenes Schwert, mit dem er das Segel am Mast aufschlitzte, daß die befreiten Teile mit ihren Schoten den Kriegern nun um die Ohren pfefferten. Der Angriff kam zum Stehen, und diesen Augenblick benutzte Garp, um mit der Labrys am Bug den Mast mit wuchtigen Schlägen anzufallen, bis sich der Baum mit Segel und Tauwerk zu einer einzigen Verwirrung krachend über Sklaven und Waffenträger legte. Und da die Söldner die todbringenden Pfeile eines Verzweifelten über sich wußten, beeilten sie sich mit dem Hervorkriechen eben nicht sehr. Ein Vorwitziger hatte es jedenfalls zu bereuen.
Nichts mehr hatte Garp überlegt. Wie von einer Gottheit berührt, hatte er gehandelt. Jetzt stand er, einem Unirdischen zu vergleichen, mit erhobener Labrys auf dem Bug.
»Ich bin ein Amaza«, schrie er über das Schiff hin, und der Wind trug seine Stimme in die innersten Räume, »ein Amaza bin ich aus dem Geschlecht der göttinverwandten Mädchen. Oh, Große Jägerin, höre mich! Ich bin der Gefährte deines Gemahls, Draups Gefährte bin ich ich höre ihn wiehern. Ich habe meine Feinde erschlagen. Die mich in Ketten banden, erschlug ich. Die mich mit Knotenstricken schlugen, liegen in ihrem Blut. Nicht unwert bin ich der Mädchen, die zu dir beten. Ich bin Garp aus dem stolzen Geschlecht der Amaza!«
Nichts mehr sah Garp, und so merkte er nicht den Schrecken, den seine Schreie hinterließen. Nur mit dem Schwert in der Rechten stürzte er sich auf die Segelplane - torkelnd, tanzend, springend bewältigte er sie bis zum Achterschiff hin, zur Hütte, zu den Doppelbrüstigen. Doch er hörte nicht das Gekreisch, und nur eine sah er. Er sah nur Sipha, riß sie an den kunstvollen Locken zu Boden, hob sein Schwert und zauderte. Es war ihm wie ein Traum, aus dem er erwachen müsse. Irgendeine Stimme müsse ihn wecken. Und die Stimme erklang auch. »Wenn du töten mußt, Garp«, sagte die Stimme, »nimm mich. Ich bin die Herrin des Schiffes.«
Er ließ von Sipha und wandte sich um. Aber immer noch träumte er: Da stand die Große Dame, und dort. . .? Jokbed stand wirklich da.
»Die Große Dame muß verzeihen, er ist etwas außer sich«, sagte Jokbed im Hinblick auf Garp, und er sagte es wenig höflich. »Aber nicht, um uns zu entschuldigen, sind wir gekommen. Um Fragen zu stellen, sind wir da.«
12
Garp hatte nicht geträumt, sondern Draups Wiehern wirklich vernommen.
Nach dem Herumschwoien der »Labrys« hatte er Jokbeds Schiff nicht mehr sehen können, wie er dann überhaupt in seinem Kampfrausch keine Einzelheiten mehr wahrgenommen
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