Aufstand der Maenner
genauso verschwunden wie die > Labrys< der Großen Dame!«
»Es ist lächerlich, anzunehmen, daß die Große Dame den Jungen gestohlen habe. Sie hat ihn kaum angesehen.«
»Ich sage nichts von ihr. Aber das Luder von ihrer Tochter Sipha! Ich war mit Blindheit geschlagen, als ich die Leibwache zurückzog.«
»Im Ernst, Jokbed. Ich will nicht davon sprechen, daß Ihr Tun gegen unsern Vertrag verstößt. Er ist in Sidon eingetragen. Aber Sie machen uns Schwierigkeiten, wenn Sie die Große Dame herausfordern. Auch sie wird man in Sidon anhören, wenn sie sich beschwert. Denken Sie an die Folgen. Und alles wegen eines jungen Wilden.«
»Er ist ein Amaza, und was die Amaza sind, weiß man auch in Sidon.«
»Jawohl! Ein ausgestoßener Amaza. Kein Mensch kümmert sich um ihn.«
»Wir kümmern uns um ihn. Wir haben ihn aufgenommen, er gehört zu uns. Suchen Sie an meinen Borden einen einzigen, der anders denkt. Sie werden keinen finden.«
»Weil Sie es so wollen. Wenn Sie anders sprächen, dächte keiner an ihn.«
»Herr Punikrum, um das zu verstehen, sind Sie ein viel zu vornehmer Mann. Wenn ich anders spräche, dächten die Leute genauso oder doch wenigstens die meisten. Aber mit mir wäre es aus. Und das ist auch ganz natürlich. In Garp verteidigen sie sich selbst. Und Sie, Herr Punikrum, sollten daran denken, daß die Leute Klage gegen Sie in Sidon führen könnten. Wir bekämen niemanden mehr auf unsere Schiffe, wenn es Brauch würde, daß wir unsere Seeleute wegfangen ließen, ohne das geringste dagegen zu tun. Die ganze Gilde denkt so - verlassen Sie sich darauf.«
Eine Klage der Schiffsgilde konnte gefährlich werden. Punikrum wußte das sehr wohl.
»Was Sie auch nur an diesem dummen Jungen haben!« rief er ärgerlich.
»Der Junge ist gar nicht so dumm. Dumm wäre es nur, wenn Sie jetzt nicht von Bord gingen. Die Sache geht Sie nichts an, und dem Hause Belit können Sie hinterher Ihre Unschuld beteuern. Im übrigen ist gar nichts aufs Spiel gesetzt . . .«
»Nichts aufs Spiel gesetzt! Und die Schiffe? Ausfahren in dieser Finsternis? Das heißt Bel versuchen!«
»Sein Name sei gelobt! Aber was die Finsternis anlängt -bis zum Kap finde ich mich schon zurecht, und bis dahin haben wir Wind. Ich rieche ihn. Guten Ostwind, Herr Punikrum, und Sternenhimmel. Wir segeln sie aus, diese >Labrys<. Die kretische Flotte mag groß sein, aber wir segeln besser. Ich heiße Jokbed, Herr Punikrum.«
>Wenn man diesen alten Esel hört<, dachte Punikrum, >dann läuft zuletzt alles auf einen Segelwettbewerb mit den Kretern hinaus.< »Auf alle Fälle ist es eine Beleidigung der Großen Dame«, sagte er, »wenn Sie deren Schiffe durchsuchen.«
»Menschenraub ist mehr als eine Beleidigung.«
Herr Punikrum stöhnte. Dieser Schiffer rede daher, als wenn es nicht Leute gäbe, die über jedem Gesetz ständen.
»Das schlimmste wäre, wenn Sie den Jungen fänden. Was dann,Jokbed?«
»Das hängt vom Verhalten der >Labrys< ab. Wenn ich mir darüber jetzt schon Gedanken machen sollte, würde ich nicht fahren. - Aber jetzt müssen Sie von Bord. Sonst nehmen wir Sie mit. Unser Geschäft ist nichts für einen Mann, wie Sie es sind.«
Im Grunde fühlte sich der Herr aus Sidon bestätigt. Nur der Pöbel nehme die Gesetze derart ernst, wie Jokbed es tue. Der Schiffer könnte so reich werden, wie er nur möge niemals würde aus ihm ein Patrizier. »Gut«, sagte er, »ich gehe. Aber die Folgen über Ihr Haupt.«
»Über mein Haupt. Wenn die >Labrys< ihn nicht hat, ist nicht viel mehr geschehen, als daß wir einen Tag im Windschutz vor der Insel Dia liegen.«
11
Ein Zurückwerfen des Oberkörpers, Durchziehen und Vorstoßen des Ruders, Vorbeugen und wieder Zurückwerfen, immer wieder in unabsehbarer Wiederholung es war der Körper, der die Kraft hergab, indes das unbeteiligte Denken sich frei erging. Nicht einmal den Laut der Trommel, die den Takt angab, nahm das Bewußtsein mehr auf.
Garp bediente den ersten Steuerbordriemen vor dem Mast am Bug. Nur das einrahige Luggersegel, das gerade noch bei südwestlichem Kurs den Ostwind auffangen konnte, nahm ihm einen Teil der Sicht. Sonst hätte er das ganze Schiff überblicken können, während er nun nur die Backbordreihe der verstriemten Sklavenrücken vor sich sah. Auf und ab wippten sie wie in einem kultischen Tanz. Und schließlich nahm er auch sie nicht mehr wahr. Er entsann sich seiner Fahrt mit Jokbed und der schräggestellten phönikischen Rahe, die das Segel immer noch wirken
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