Aufstand der Maenner
Belit mit einem Lächeln, das gewinnen und beschwichtigen sollte, »wir haben alle ihre Fragen beantwortet.«
»Nicht ganz. Die Behauptungen Ihrer Tochter können wir glauben oder auch nicht. Die Wahrheit ist«, Jokbed wandte sich wie fragend an seine Männer, »wir glauben ihr nicht.«
»Eine Dame und ein schmutziger Junge!« rief Sipha.
»Schmutz kann man abwaschen«, erklärte Jokbed trocken, »und unsern Unglauben können wir einstweilen zurückstellen. Jedenfalls wußte die Große Dame, daß Garp unser Genosse ist. Er hat vor ihr gestanden in Milet, und sie hat ihr Lächeln über ihn ausgegossen. Er gehört vor unser Gericht -auch das wußte sie. Im Hafen von Knossos hätte er uns ausgeliefert und bis dahin als Freier gehalten werden müssen, der er ist. Wir aber haben von Garp gehört, daß er statt dessen vor Segel und Mast als Sklave ans Ruder gekettet wurde.«
»Das sagt der Beklagte. Sein Zeugnis gilt nicht.«
»Er ist Beklagter und Kläger - genau wie die Dame Belit Beklagte und Klägerin ist.«
»Sie können nichts beweisen, Herr Jokbed. Der einzige Zeuge wäre der Aufseher vor dem Mast, und der ist tot, ermordet von Ihrem Garp wie mein Steuermann und wie einem meiner Knechte ein Auge ausgeschossen wurde.«
»Er hat wohlgetan«, war Jokbeds Antwort. »Wir sahen nicht nur den Toten und den Verwundeten, wir sahen auch den gefällten Mast und die ganze Verwüstung, die ein einzelner vollbrachte. Wir freuen uns eines Kameraden, der keine Erniedrigung auf sich sitzen ließ, auf sich nicht und damit nicht auf uns.«
»Ich bin ein Amaza!« schmetterte Garp dazwischen.
»Halt den Mund, Garp«, knurrte Jokbed ihn an. »Wart, bis du gefragt wirst. - Was aber die Zeugen anlangt, so sind da noch die Ruderer.«
»Sklaven können nicht Zeugnis ablegen gegen Freie.«
Jokbed schaute grimmig drein. »Das hätte die Große Dame nicht sagen sollen«, meinte er. »Die >Labrys< wurde zu Recht genommen. Sie ist mit allem an Bord unsere Beute, mit allem außer Garp. Die Damen sind nicht freier als die Rudersklaven . . .«
»Sie vergessen sich, Jokbed!«
»Ich war nie so klar wie jetzt, Sklavin Belit. Und wenn es dich stört, wenn Sklaven Zeugnis wider dich ablegen, können wir den Ruderern ja die Freiheit schenken. Ob wir sie dir schenken oder gar deiner Tochter, ist dagegen sehr die Frage.«
»Oh, Mutter!« schrie Sipha in jäher Angst.
»Halt den Schnabel!« sagte Belit, woraus jedermann entnehmen konnte, daß sich in Jokbed und Belit zwei Große gegenübersaßen, die auf Disziplin hielten. Darauf wandte sie sich wieder an den Schiffshauptmann. »Ihnen scheint an Sidon nicht viel gelegen zu sein?« fragte sie sanft. »Ihnen nicht und Ihren Kameraden auch nicht? Denn Wiedersehen können Sie Sidon nicht, wenn Sie sich an Kreta vergreifen. Und wie ich hier sitze, Priesterin der Rhea und Oberhofmeisterin des Göttlichen Palastes, bin ich Kreta.«
Es klang wie ein Choral.
»Das Meer ist tief und still, und meine Männer sind schweigsam«, war jedoch alles, was Jokbed erwiderte.
Dagegen war nichts zu sagen. Aber Belit war nicht die Frau, so leicht ihren Mut zu verlieren. Mit einem Blick der Verachtung streifte sie das klägliche Gesicht ihrer Tochter.
»Nenne deine Bedingungen, Jokbed aus Sidon«, sagte sie dann und gab damit zu erkennen, daß ihr Gegner es nach ihrer Überzeugung nicht auf das Äußerste ankommen lassen werde.
Es schien auch wirklich so zu sein. Schon dadurch, daß Jokbed Belits Formlosigkeit ohne Widerspruch hinnahm, standen sich beide wieder näher. Allerdings hielt Jokbed sich nicht mit Kleinigkeiten auf. Er hatte anderes zu bedenken. Vor allem kam es ihm darauf an, die Gunst des Augenblicks zu einem Erfolg von Dauer auszunützen. Er war der kleine Mann nicht, sich mit Lösegeld und Schadenersatz abfinden zu lassen, die in jedem Fall durch Garps Entführung und Versklavung zu rechtfertigen waren. Er begehrte mehr. Kreta sei immer noch Kreta, und dort im Lande selbst einen Stützpunkt zu haben, einen verläßlichen Menschen, der ihm geneigt war — das müßte ihm, dachte Jokbed, Vorteile bringen, deren kein anderer in Sidon sich rühmen dürfe. Ein Sklave könne das natürlich nicht sein, sondern nur ein Freier in hoher Stellung. Wer aber vermöge angesichts der Einwanderungssperre einen Mann dieser Art ins Land zu schmuggeln und ihm zugleich Einfluß und Macht zu verleihen? Keiner — außer ihm selbst.
Jokbed dachte an Garp, an dessen geheimnisvolle, übersinnliche und doch so verbürgte
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