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Aufstand der Maenner

Titel: Aufstand der Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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angeordnet, für den Aussätzigen eine oberirdische Hütte zu errichten, um ihn dort nach den ärztlichen Anordnungen Tuks zu pflegen.
    Wie Garp aus dem Bade die Stufen heraufgestiegen war -genauso lag er unter Tuks Händen auf der Bank aus Eichenholz. Grünlich schimmerte das Wasser im tiefen Becken. Von dem Durchbruch der gegenüberliegenden Wand war der Vorhang beiseite gezogen, und auch das Fenster des anstoßenden Wohn- und Schlafraumes, den Garp bei seiner Anwesenheit in Knossos zu benutzen pflegte, schien unverhangen zu sein. Vom Bad aus gewann man jedenfalls einen Blick aus der Dämmerung in ungebändigte Helle: Rot umglühten die Fliesen das meergrüne Tuch, das von einem Faltstuhl herunterhing. Garp und Tuk waren wieder einmal im Hause der Belit.
    »Wie bei einem geborenen Kreter wird Euer Gnaden Hüftumfang nie werden«, sagte Tuk. »Die Knochen widerstreben. Mit Kreterhüften muß man nicht nur geboren werden, sondern man muß auch die Knochen von Kind auf zwingen.« »So danke ich den Unbekannten, daß sie mir wenigstens meine Knochen unvermindert beließen. Du glaubst nicht, wie wenig wir uns bei den Amaza aus steckendünnen Hüften machten.«
    »Dazu kann ich Euer Gnaden nur beglückwünschen.«
    »Meine mütterliche Dame Sipha dürfte weniger entzückt sein, mein Tuk — das solltest du bedenken. Sie jammert, sooft sie mich sieht. Als wolle sie mich verheiraten und fürchte nun, daß die Mädchen mich zu barbarisch finden könnten.«
    »Euer Gnaden werden daran nicht sterben«, sagte Tuk, ohne eine Miene zu verziehen. »Auf den Bildern mögen die kretischen Wespen noch angehen, aber in Wirklichkeit quillt meist oben am Gürtel das Fett heraus. Ich habe Mühe genug, das bei Ihnen zu verhindern.«
    »Möge es dir vergelten, wer will, ich vermag es nicht. Aber hüte dich, daß die Damen von deiner Geschicklichkeit etwas erfahren, sonst rissen sie dich mir aus den Händen.«
    »Das eine ist schon geschehen.«
    »Was?«
    »Die Damen erfuhren es, oder wenigstens eine erfuhr es.«
    »Da siehst du! Und sie haben doch ihre Mieder, ihre Jäckchen, ihre Hemden, mit denen sie alles vertuschen! Aber uns lassen sie nackend herumlaufen. Wenn nicht ganz, so doch zur größeren Hälfte.«
    »Nacktheit ist die Tracht des Sklaven.«
    »Zwischen dir und mir sei kein Unterschied, willst du damit sagen? Daß du recht hast, macht deine Worte nicht angenehmer. Und nun sprich: Welche Männerherrin begehrt deine Künste?«
    »Euer Gnaden erlauchte Schwester.«
    Garp richtete sich auf.
    »Adna?« fragte er.
    »Gerade sie. Ihre Mieder können ihr, scheint es, nicht eng genug sein, wenn sie auch bei Männern an barbarischen Formen nicht allzuviel Anstoß nimmt . . .«
    »An mir doch!«
    »Sie sind nicht das Stieropfer Thes.«
    »Sage, Tuk, gibt es etwas, was du nicht weißt?« kam es aus den Hintergründen von Garps Gedanken.
    »Ich bin das Auge und das Ohr meines Herrn«, war die gleichmütige Antwort.
    »Stieropfer« wurden die Mädchen und jungen Männer der Arena genannt.
    Wenn auch der Stier das eigentliche Opfer war, dessen Tod den menschlichen Sieg über die Naturgewalten verherrlichen sollte, so war es doch kein kleines, den Anrasenden bei den Hörnern zu packen, sich im Handstand durch das Schütteln des Stierhauptes nicht abwerfen, sondern durch die Kraft des Stieres selbst genau im rechten Augenblick hochschleudern zu lassen, um dann nach einem Überschlagen des eigenen Körpers in der Luft mit den Füßen auf dem Tierrücken zu landen. Es war ein Spiel mit dem Tode, das nur zu oft die Angreifer unter Hörnern und Hufen verenden ließ. Mit vornehmer Gelassenheit schauten auf ihren bevorzugten Plätzen die Damen - wild hingerissen dagegen die Tausende des Volkes - diesen Spielen zu. Aber weder Damen noch Volk erließen den Kämpferinnen und Kämpfern eine einzige der vielen gefährlichen Kampfvorschriften, die alte Überlieferungen geheiligt hatten. Brausen des Beifalls und Getöse des Unmuts wechselten. Wer von den Spielern nach einem falschen Tritt dem Stier erlag, bekam bei schwerer Verwundung den Gnadenstoß, oder die Peitsche holte, falls er heil davongekommen war, später nach, was der Stier versäumt hatte.
    Die Angreifer waren mehr die Opfer als der Stier, und so trugen sie den Namen Stieropfer mit Recht.
    Es war zu begreifen, wenn in den Tributländern geheimnisvolle Gerüchte von einem menschenfressenden Minosstier, einem Minotaurus, hartnäckig umliefen und wenn das ganze Volk jedes zweite Jahr trauerte. Dann

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