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Aufstand der Maenner

Titel: Aufstand der Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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waren, so galt das immer noch der besonderen Welt, in der das Volk dieser Bartlosen lebte.
    So abgeneigt waren die Kreter oder Kaphtorim dem Bart, daß sie die Bebarteten für Menschen geringeren Wertes erachteten. Dagegen lehnte Garp sich noch heute innerlich auf. Im Hinblick auf die Hinker der Amaza tat er es und auf Jokbed und die Schiffskameraden, denen er sich unlöslich verbunden fühlte. Seinem aufsteigenden Trotz jedoch, aus dem heraus er sich ebenfalls einen Bart hatte wachsen lassen wollen, war Tuk mit dem Hinweis begegnet, daß er, Tuk, als ein Schrifterfahrener auch an Jokbeds Borden bartlos gelebt habe, und ebenso gezieme es Garp, der die Schrift erlerne.
    Wie Schriftzeichen hatte Garp denn auch bald die Bilder unterschieden: Alles Weibliche war weiß, alles Männliche rotbraun - das war eine Rangordnung. Die Damen und ihre weibliche Umgebung schützten ihre Haut vor der Sonne, während den Männern die dienende Tätigkeit im Freien oblag. Ein Gewölkes also stellten die Bilder dar: Alles Weibliche sollte unter allen Umständen den höheren Rang der Weißhäutigkeit genießen, ganz gleich, was das Auge in der Wirklichkeit vielleicht zu sehen bekommen hatte. Und so sehr hatte dieses Gesetz sich auch Garps Empfinden unterworfen, daß ihn fast nichts so erregte wie die bleiche Haut und der wilde Bartwuchs der in diese Unterwelt verbannten Männer.
    In das Haargestrüpp des Mannes jedoch, den er mit seiner Lampe beleuchtete, hatte ein weißer Schorf Lichtungen gefressen. Er hatte die Oberlippe ergriffen und die Nase bereits völlig weggefault. Unmöglich wäre es gewesen, das Alter dieses Mannes zu bestimmen - es war schon schwer, in ihm einen Menschen zu erkennen. Sogar die Stimme des abgehärteten Tuk flackerte, als er sprach:
    »Der Bock und die Traube . . .«
    »Die Traube und der Bock.«
    »Bist du es . . . Egel?«
    »Es ist lange her, daß ich meinen Namen hörte.«
    Garp sah in dieser Ansammlung von Schwären nur zwei leere Augen. Es waren die Augen eines armen Blinden, aber das andere wollte er nicht sehen.
    »Verzeih mir, Mann, daß ich dich befrage«, sagte Tuk, »aber was weißt du von Egel?«
    »Es ist wahr, ich verlor nicht nur mein Gesicht, sondern auch alles, was Egel einst war, und so bin ich ohne Namen.«
    »Egel bleibt Egel«, widersprach Tuk, »ob man ihn erkenne oder nicht.«
    »So will ich dir sagen, was Egel einst wußte, ehe die Krankheit ihn fraß. Er kannte einen Mann aus Libyen, einen Ephod, einen weissagenden Priester, der Rhea abtrünnig wurde. Sein Name ist . . .«
    »Nenne den Namen nicht!«
    »Die Göttin ist grausam, du sagst es.«
    »Die Göttin ist grausam«, bestätigte der andere. »Ich heiße Tuk.«
    »Tuk also - gut, so sei es, wie du sagst. Reich mir Wasser, Tuk, mich dürstet.«
    Nur ein wenig wich der Schreiber zurück - da kniete Garp schon zu Häupten des Schwärenbedeckten und setzte ihm den Scherben eines Kruges an die Lippen.
    »Ich fühle wenig Schmerzen«, sagte der Gelabte. »Wagst du, mich aufzurichten?«
    Garp wagte es. Und nun saß der Mann, der Egel hieß, auf einem Felsblock und lehnte sich an die Wand.
    »Was begehrst du, der du dich Tuk nennst, von mir? Haben sie dich zu mir heruntergeschickt nach so langer Zeit?«
    »Sie hätten es getan - damals -, aber ich entkam ihnen.«
    »Du entkamst, aber ich blieb.«
    »Um hier zu enden.« Tuk sagte es mit einer tiefen Bewegung, die Garp ihm nicht zugetraut hätte.
    »Und du hast deine Augen? Immer noch? Es ist wie ein Wunder.«
    »Es ist ein Wunder. Ich habe sie immer noch.«
    »Hier brauchst du sie nicht.«
    »Ich brauchte sie, um dich zu finden, und du bist der einzige, den ich fand. Nach Jahren der erste und einzige.«
    »Es ist viel, aus freien Stücken in die Tiefe zu steigen, wo die Göttin am grausamsten ist. Du siehst es.«
    Zum erstenmal ließ Garp seine Stimme hören.
    »Dir wird geholfen werden«, sagte er, »soweit dir zu helfen ist.«
    »Deine Stimme ist jung. Und nun weiß ich es: Du warst es, der mir zu trinken gab und mich stützte. Wer bist du?«
    »Ein Unwissender«, antwortete Tuk für Garp.
    »Überhebe dich nicht«, sagte Egel. »Jeder Unwissende kann der Erleuchtung teilhaftig werden, wenn er sie begehrt.«
    »Er begehrt sie, obwohl er es noch nicht weiß.«
    »Ich weiß es«, widersprach Garp, »jetzt weiß ich es.«
    »Ich kann dir nicht mehr Erleuchtung geben, junge Stimme. Du machtest den Weg umsonst.«
    »Du kannst vieles«, erklärte Tuk. »Bevor sie dich ergriffen, entkam ich. Unter

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