Aufstieg der Toten: Roman (German Edition)
weder der tote Sergeant noch die damalige Situation je wieder in ihren Albträumen aufgetaucht.
Mbutu hielt ihr Schweigen offenbar für ein Anzeichen dafür, dass sie seine Worte überdachte.
» Möchtest du mit mir darüber reden?«, fragte er. » Über deine Träume, meine ich? Manchmal kann eine zweite Meinung zu einer Sache vielleicht klären, was sie bedeuten.«
» Falls sie überhaupt etwas bedeuten«, spöttelte Rebecca. » Vielleicht sind sie nur Produkte einer überhitzten Fantasie.«
» Vielleicht«, sagte Mbutu. » Vielleicht aber auch nicht.«
Daraufhin folgte ein ziemlich langes Schweigen. Schließlich hielt Rebecca es nicht mehr aus. Sie seufzte und wandte sich dem Mann zu. Ihre Lippen waren fest zusammengepresst. Ihre Miene wirkte ziemlich verlegen.
» Na schön«, sagte sie. » Es läuft so ab: Der Traum fängt in der Regel ganz normal an. Ich bin bei der Gruppe, und alles ist in Ordnung. Aber dann läuft irgendetwas anders. Alle sterben – alle außer mir und einem anderen. Wer das ist, ist von Traum zu Traum verschieden. Beim letzten Mal war es Brewster, aber es waren auch schon mal Sherman und du und Thomas, sowie auch fast alle anderen.
In diesem Traum suche ich nach einer Waffe, aber ich finde keine. Dann stoße ich auf den zweiten Überlebenden, bloß lebt er nicht mehr, sondern ist ein Watschler, der auf mich zukommt. Ich kann nicht fliehen, so sehr ich mich auch bemühe, und ich finde nie etwas, womit ich mich wehren kann. Der Traum endet immer damit, dass ich gebissen werde, und dann wache ich auf.«
Mbutu sank an die Rückenlehne der Bank, seufzte und dachte über Rebeccas Worte nach.
Rebecca blieb geduldig neben ihm sitzen und wartete darauf, seine Gedanken zu hören. Als Minuten vergangen waren, wurde sie allmählich ungeduldig. Schließlich meldete sie sich zu Wort.
» Na?«, sagte sie. » Was hat das zu bedeuten, Herr Psychologe?«
» Es gibt mehrere Möglichkeiten«, sagte Mbutu achselzuckend. » Man könnte es so verstehen, dass du dich fürchtest, deine Freunde zu verlieren. Man könnte es aber auch so sehen, dass du Angst hast, dich mit dem Virus anzustecken. Beides sind Träume, die jeder von uns geträumt hat, seit es passiert ist. Lass dir das versichern.«
» Und damit hat es sich?«
» Mir ist noch was eingefallen«, gestand Mbutu. » Du hast gesagt, dass du in diesem Traum keine Waffen findest und nicht entkommen kannst. Vielleicht sagt dir dein Verstand, dass du, so sehr du im Traum auch darauf aus bist, den Infizierten, der sich dir nähert, zu vernichten, den Gedanken nicht ertragen kannst, einen Freund zu erschießen.«
Aber ich habe doch schon einen erschossen, dachte Rebecca und sah Decker erneut vor sich.
» Du hast recht«, gab sie dann zu. » Ich weiß nicht, ob ich es tun könnte. Ich bin zum Roten Kreuz gegangen, um Menschen zu helfen. Ich hätte nie gedacht, dass ich Menschen töten muss. Das war in mir nicht drin. Und es gefällt mir nicht.«
» Das geht uns allen so.« Mbutu klopfte ihr auf die Schulter. » Einige von uns können es hinnehmen, andere eben nicht. Aber Gefallen findet niemand daran. Deine Träume bereiten dich nur auf die Möglichkeit vor, sodass du, wenn die Zeit kommt, in der Lage bist, es hinzunehmen.«
Rebecca schenkte ihm ein Lächeln und nickte langsam. » Ja, so könnte es sein. Danke, Mbutu.«
» Freut mich, dass ich dir helfen konnte.« Er stand auf. » Die anderen sind zu der Kneipe rüber, in der Denton sitzt. Hast du Lust, mitzukommen?«
Rebecca warf einen Blick über die Straße; dorthin, wo die Gärtner ihre abendliche Arbeit beendeten.
» Nein.« Sie schüttelte den Kopf. » Ich glaube, ich bleibe noch ein Weilchen hier sitzen.«
» Wie du willst.« Mbutu wandte sich um und machte sich auf den Weg zur Kneipe. Er winkte ihr noch einmal zu. » Du weißt ja, wo du uns findest.«
» Aber immer«, murmelte Rebecca. Ihr Blick war nach wie vor auf die Einheimischen auf der anderen Seite der Straße gerichtet.
VIERTER TEIL
IN DER HÖHLE DES LÖWEN
15 Kilometer nördlich von Abraham, Kansas
7 . März 2007
21 . 00 Uhr
Brewster, Krueger und Thomas robbten auf dem Bauch dem Kamm eines sanft gewölbten Hügels entgegen. Von dort aus hatte man gute Aussicht auf den verwinkelten Gebäudekomplex. Das Betriebsgelände war einfach gewaltig. Es bestand aus mehreren Lagerhallen und Dutzenden von Nischen, in denen man Tieflader mit Fracht be-und entladen konnten. Allem Anschein nach hatten die Bewohner des Komplexes einen
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