Aufstieg der Toten: Roman (German Edition)
stoßen, die das eine oder andere über die Morgenstern-Seuche wusste.
Und zweitens: Wenn Sherman und seinen Leuten das Überleben gelungen war und sie von der kalten, nebligen Küste Oregons nach Osten hatten gehen können, standen die Chance für seine Leute ebenso gut.
Und außerdem: Wenn Sherman nicht nach Osten gelangt war, sondern sich auf dem Weg dorthin irgendwo eingegraben hatte, begegnete man ihm vielleicht und konnte seine Kräfte vereinigen. Dies war jedoch ein Wunschtraum, denn die Landmasse der Vereinigten Staaten war riesengroß, und es gab Hunderte von möglichen Routen nach Omaha, die er genommen haben konnte.
Und so stand Franklin auf der Brücke seines Schiffes, schaute auf die versammelten Seeleute und Hal hinab und wünschte sich, es wäre nie so weit gekommen. Er wünschte sich, das pandemische Grauen wäre nie ausgebrochen. Er wünschte sich, er hätte das, was er nun tun musste, vermeiden können.
Franklin wandte sich auf dem Absatz um und schaute Harris an, der noch immer gelockert dastand und auf Befehle wartete.
» Sind die Männer zum Ausbooten fertig, Commander?«, fragte Franklin.
» Aye, Captain.« Harris nickte. » Es sind alle anwesend und durchgezählt.«
» Gut.« Franklin ließ sich mit einem Seufzer in einen Operatorsessel sinken. » Dann gehen Sie zu ihnen runter. Sie haben nun die Befehlsgewalt, Harris.«
» Sir?«, fragte Harris mit fragend gerunzelten Brauen.
» Sie haben mich schon verstanden«, sagte Franklin kurz und knapp und blickte auf, um Harris in die Augen zu schauen. » Gehen Sie runter. Leiten Sie das Ausbooten. Sorgen Sie dafür, dass jeder bewaffnet und angemessen ausgerüstet ist, wie auf der Hinfahrt. Dann bringen Sie die Leute an Land und führen Sie nach Osten. Ich gehe nirgendwo hin. Ich werde mein Schiff nicht verlassen.«
Harris stand einen Augenblick lang schweigend da. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann machte er ihn wieder zu. Er nickte kurz.
» Aye, Sir.« Harris drehte sich um und verließ die Brücke, um sich zu den Männern an Deck zu gesellen. Er zog das Schott lautlos hinter sich zu.
Franklin seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn die Männer weg waren, würde es an Bord sehr still werden.
Er wollte die Zeit zum Lesen nutzen.
Commander Harris trat strammen Schrittes aufs Deck des Zerstörers hinaus, rief Befehle und schiss jeden Seemann zusammen, dessen Äußeres der Dienstvorschrift nicht genügte.
» Die Waffe da sichern! Machen Sie doppelte Knoten in die Schnürbänder Ihrer Stiefel, mein Sohn, oder wollen Sie, dass sie Ihnen im Schlamm ausgezogen werden? Gütiger Himmel, gib mir Kraft! Seemann, wie tragen Sie denn das verdammte Sturmgepäck?«
Harris schritt die Front ab, justierte die Ausrüstung der Männer und begutachtete ihre Tornister. Einige Seeleute wurden wieder ins Innere des Zerstörers geschickt, um bestimmte Ausrüstungsgegenstände zu holen, die sie vergessen hatten. » Was denn, Sie haben beschlossen, sich nicht mit Ersatzbatterien abzuschleppen? Wie schön, Seemann, wie schön! Dann werden Sie halt im Dunkeln durch die Landschaft stolpern.«
Hal stand ein Stück von der Mannschaft entfernt. Er lehnte an der Reling. Er hatte einen riesigen Tornister auf dem Rücken. An seiner Hüfte hing eine Pistole. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schaute dem sich heftig bemühenden Harris mit einem sorgfältig getarnten heiteren Blick zu. Als Zivilist blieb ihm jede militärische Inspektion erspart. Es freute ihn, dem Commander zuzuschauen, der den Soldaten Tipps in Sachen Bekleidungsvorschriften gab.
Schließlich erachtete Harris die Männer für zum Ausbooten bereit. Man hatte Frachtnetze über eine Seite des Schiffes geworfen, die es ihnen erlaubten, in die Boote hinabzusteigen, die sie, jeweils zu zehnt, ans Ufer bringen sollten. Insgesamt waren es weniger als fünfzig Mann, die die Ramage verließen.
Obwohl sie nie darüber gesprochen hatten, hegten Hal und Harris den Gedanken, dass ihre Zahl nach einigen Wochen an Land geringer sein würde.
Ein Problem war der Waffenmangel. Monate zuvor, als Sherman und seine Leute an der arabischen Küste an Bord gekommen waren, war die 5.56er Munition schon gefährlich knapp gewesen. Und die war nun einmal die Standardkugel für das M-16-Gewehr. Das Ergebnis: In der Waffenkammer der Ramage lagerten jede Menge Gewehre, doch nichts, womit man sie laden konnte. Man verfügte allerdings über eine große Menge 9-mm-Patronen sowie ein
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