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Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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auf, Lisa, was heißt hier ›wie nach dem Buch‹, wenn das alles mich schon als Unbeteiligten anekelt. Dabei bin ich ja nicht unbeteiligt. Alles erwacht jetzt in meiner Seele … Sollte dieses Haus dich wirklich, wirklich nicht anekeln? Nein, das ist also die Gewohnheit! Weiß der Teufel, was die Gewohnheit alles aus einem Menschen machen kann. Solltest du denn im Ernst denken, daß du nicht alt wirst, ewig hübsch bleibst und daß man dich bis in alle Ewigkeit hierbehält? Ich rede nicht einmal davon, daß hier nichts als Widerwärtigkeiten … Übrigens, weißt du, was ich dir darüber, über dein jetziges Leben nämlich, sagen werde: Jetzt bist du immerhin noch jung, hübsch, gut, du hast Gefühl und Herz; weißt du eigentlich, daß ich vorhin, als ich wieder zu mir kam, mich sofort vor dir ekelte! Man kann ja doch nur in betrunkenem Zustand hierhergeraten. Wärest du aber an einem anderen Ort, lebtest du, wie gute Menschen leben, so würde ich dir vielleicht nicht nur den Hof machen, sondern mich einfach in dich verlieben und über jeden deiner Blicke, nicht nur über jedes Wort, glücklich sein. Am Haustor würde ich dich erwarten, auf den Knien vor dir liegen; würde zu dir wie zu meiner Braut emporschauen und es mir zur Ehre anrechnen. Ich würde nicht wagen, etwas Unsauberes von dir auch nur zu denken. Hier aber weiß ich doch, daß ich nur zu pfeifen brauche, und du mußt kommen, ob du willst oder nicht, und nicht ich habe mich nach deinem, sondern du hast dich nach meinem Willen zu richten. Selbst der letzte Bauer, wenn er auf Tagelohn geht, ist nicht mit Leib und Seele verdingt und weiß darüber hinaus, daß es nur eine gewisse Zeit dauert. Wann aber ist deine Zeit um? Besinne dich doch: Was gibst du hin? Was hast du hier verkauft? Die Seele, die Seele, die nicht dir gehört, hast du hier zusammen mit deinem Leibe verkauft. Deine Liebe gibst du jedem Trunkenbold zu Schimpf und Schande preis. Liebe! Das ist ja das Ein und Alles, das ist ja der Diamant, der Schatz eines Mädchens, die Liebe. Um sie zu erringen, ist doch manch einer bereit, seine Seele hinzugeben, in den Tod zu gehen. Und wie hoch wird deine Liebe hier geschätzt? Man kauft dich ja ganz, mit Leib und Seele, wozu sich da noch besonders um Liebe bemühen, wenn auch ohne Liebe alles zu haben ist! Eine größere Kränkung kann es für ein Mädchen nicht geben, begreifst du das auch? Ich habe gehört, daß man euch Närrinnen hier Liebhaber erlaubt, um euch zu trösten; das ist doch aber nur Gaukelei, Betrug, Spott, ihr aber nehmt es ernst. Soll er dich etwa wirklich lieben, dieser Liebhaber? Das glaube ich nicht. Wie soll er dich lieben, wenn er weiß, daß man dich zu jeder Zeit von ihm wegrufen kann. Ein Schweinekerl ist er. Achtet er dich denn auch nur ein wenig? Was hast du mit ihm Gemeinsames? Er lacht ja nur über dich und bestiehlt dich obendrein – das ist seine ganze Liebe! Man kann noch froh sein, wenn er dich nicht prügelt. Vielleicht prügelt er dich auch. Frag ihn doch, wenn du einen hast, ob er dich heiraten würde. Er wird dir ins Gesicht lachen, wenn er dir nicht ins Gesicht spuckt oder dich verprügelt. Er selbst aber ist keine halbe Kopeke wert. Und wofür, besinne dich, wofür richtest du dein Leben zugrunde? Weil du hier Kaffee zu trinken bekommst und dich hier satt essen kannst? Wofür aber wirst du hier gefüttert? Eine andere, eine Anständige, würde einen solchen Bissen nicht herunterkriegen, weil sie weiß, wofür man ihr zu essen gibt. Du bist hier verschuldet, und du bleibst hier verschuldet bis an das letzte Ende, bis zu dem Tage, an dem die Gäste sich vor dir ekeln werden. Das aber wird bald sein, verlaß dich ja nicht auf deine Jugend. Hier geht es ja wie mit der Post. Man wirft dich hinaus. Aber man wird dich nicht einfach hinauswerfen, sondern lange vorher wird man dich schikanieren, dir Vorwürfe machen, dich beschimpfen – als ob du ihr nicht deine Gesundheit hingegeben, deine Jugend und deine Seele umsonst ihr geopfert, als ob du deine Wirtin zugrunde gerichtet, ruiniert, bestohlen hättest. Erwarte keine Hilfe. Die anderen, deine Freundinnen, werden gleichfalls über dich herfallen, um sich bei der Wirtin einzuschmeicheln, denn hier sind alle Sklaven und haben längst Mitleid und Gewissen eingebüßt. Durch und durch gemein sind sie geworden, und es gibt auf der ganzen Welt nichts Widerlicheres, Kränkenderes und Gemeineres als ihre Flüche. Alles wirst du hier opfern, alles, ohne Rest –

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